Erbschaftssteuer in Deutschland
Prof`in Dr. Claudia Neugebauer / Betriebswirtschaftliche Steuerlehre
Foto: Sebastian Jarych

Die Krux beim Vererben oder Verschenken von Vermögenswerten

Claudia Neugebauer, Professorin für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Steuerlehre an der Bergischen Universität über die oft als unrecht empfundene Erhebung der Erbschaftssteuer in Deutschland

Das Wichtigste zuerst: Die Erbschaftsteuer entsteht mit dem Eintritt des Erbfalls, also dem Tod des Erblassers. Die Schenkungsteuer entsteht mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung. Ökonomisch betrachtet ist es irrelevant, ob jemand sein Vermögen zu Lebzeiten verschenkt oder erst nach dem Tod vererbt. Steuerrechtlich werden Erbe und Schenkung gleichgestellt. Für Erben bzw. Beschenkte besteht die Pflicht, die Erbschaft/Schenkung dem Finanzamt innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis des Todes des Erblassers bzw. der erfolgten Schenkung zu melden. Da diverse Freibeträge gelten, prüft das Finanzamt den Vorgang zunächst intern. Liegt das Erbe bzw. die Schenkung unter dem Freibetrag, meldet es sich nicht mehr. Ansonsten werden die Erben bzw. Beschenkten zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert. „Die Geschichte der Erbschaftsteuer ist lang und sie soll bereits im sumerischen Reich erhoben worden sein. Eine der heutigen Erbschaftsteuer vergleichbare Steuer wurde 1873 zunächst in Preußen eingeführt, gefolgt von Hamburg (1894) und Baden (1899). Mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Jahr 1900 wurde das Erbrecht vereinheitlicht. 1906 wurde ein Reichserbschaftsteuergesetz erlassen“, erklärt Claudia Neugebauer, Professorin für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Schumpeter School of Business and Economics der Bergischen Universität. „Zunächst waren Ehegatten und Kinder von der Besteuerung ausgenommen. Mit den „Erzbergerschen“ Steuerreformen der Jahre 1919 und 1922 wurden auch sie der Steuerpflicht unterworfen. Durch die Gewährung von Freibeträgen wird die Steuerlast innerhalb der Familie gemindert. Heute gehört die Erbschaft-/Schenkungsteuer fest zum Steuersystem. Dass wir eine Steuer wie die Erbschaft- und Schenkungssteuer benötigen, wird aktuell nur von wenigen in Frage gestellt“, erklärt Neugebauer. „Sie wird benötigt, damit auch Vermögende zur Finanzierung des öffentlichen Haushalts beitragen.“

Der Staat erhebt Anspruch auf das Geld seiner Bürger*innen

Viele Erben fragen sich, warum der Staat einen Anspruch auf Vermögenswerte seiner Bürger*innen erhebt. Neugebauer hat da eine klare Antwort und sagt: „Die Frage beruht auf einem Missverständnis. Es sind die Ersparnisse des Erblassers oder Schenkenden, die weitergegeben werden. Die Erbschaft-/Schenkungsteuer wird jedoch von demjenigen erhoben, der das Vermögen erhält und dieser hat es nicht selbst angespart. Daher wird die Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer und nicht als Nachlasssteuer bezeichnet.“ Sicherlich gebe es Situationen, in denen auch die Erbenden/Beschenkten den Erblasser/Schenkenden beim Aufbau des Vermögens durch unentgeltliche Hilfe unterstützt haben, sodass sie das Gefühl haben, einen Teil des Vermögens mit aufgebaut zu haben. „Meist sind es ja auch die Eltern, denen man geholfen hat, wenn es z.B. um die Renovierung oder Verwaltung einer Immobilie ging. Und so empfinden die Beschenkten die Erbschaftsteuer oft als ungerecht. Zivilrechtlich betrachtet hat aber derjenige das Vermögen aufgebaut, der es verschenkt.“ Der Erbende bzw. Beschenkte wird durch die Übertragung des Vermögens reicher und erhält etwas, was er vorher nie versteuert hat. „Von der Wahrnehmung her wird häufig anders argumentiert, denn die Eltern haben etwas von dem aufgebaut, was ihnen nach Abzug der Einkommensteuer verblieben ist. Und von diesem Ersparten will der Staat jetzt noch einmal Steuern haben“, erklärt die Fachfrau. „Die Einkommensteuer ist aber eine Ertragsteuer, während die Erbschaftsteuer auf das erhaltene Vermögen gezahlt wird. Besonders problematisch wird es, wenn der Erblasser bzw. Schenkende bereits Vermögensteuer gezahlt hat, denn dann ist dieses Empfinden noch stärker ausgeprägt. Das Steuergesetz geht aber von zwei unterschiedlichen Steuerpflichten aus.“

Jährlich werden zwischen 300 und 400 Milliarden Euro vererbt

2023 nahm der Staat knapp 916 Mrd. Euro an Steuern ein, wovon rd. 9,3 Mrd. Euro auf die Erbschaftsteuer entfielen. Deutschlandweit veranlagten die Finanzverwaltungen Vermögensübertragungen durch Erbschaften und Schenkungen in Höhe von etwa 121,5 Mrd. €. Zwar scheinen 9,3 Mrd. Euro erst einmal eine hohe Summe zu sein, doch Neugebauer schränkt sofort ein und erklärt: „Man muss da differenzieren, denn das Geld bekommt nicht der Bund. Die Erbschaftsteuer fließt vollständig an die Länder, d.h., diese 9,3 Mrd. Euro teilen sich auf 16 Bundesländer auf.“ Zwischen den Bundesländern gibt es deutliche Unterschiede: Reichere Länder wie Hamburg, Bayern und Baden-Württemberg profitieren stärker, während ärmere Länder wie Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen erheblich weniger erhalten. Auffällig ist, dass im Jahr 2022 in den alten Bundesländern pro Einwohner etwas neunmal so viel Vermögen weitergeben wurde wie in den neuen Bundesländern. Die Gründe hierfür liegen in der Vergangenheit. Die Einwohner der ehemaligen DDR hatten kaum Möglichkeiten, Vermögen aufzubauen. „Ein Großteil des vererbten Vermögens besteht nach wie vor aus Immobilien“, so Neugebauer, „und die hatten viele Menschen in der ehemaligen DDR nicht. Erst die heutige Generation kann Vermögen aufbauen, das aber erst in der nächsten Generation vererbt wird.“

Die ungleiche Verteilung der Erbschaftsteuer hat Auswirkungen auf die Landeshaushalte. „Im steuerlichen Bereich sagen wir manchmal etwas ketzerisch, dass wir für die Bildung sterben. Denn die Erbschaftsteuer ist eine Landessteuer, und das Land ist für die Finanzierung von Bildung zuständig. Es liegt daher im Interesse der Länder, hohe Steueraufkommen zu erzielen, um Universitäten und Schulen finanzieren zu können.“

Eine Erbschaft kann ein großer Geldsegen sein

Steuerfreibeträge bei Erbschaften und Schenkungen

Vermögen wird vielfach im „Generationenverbund“ weitergegeben, d.h. von den Eltern an die Kinder oder zwischen Eheleuten. Um die Steuerbelastung hier abzumildern, sieht das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz zum einen Freibeträge und zum anderen einen niedrigeren Steuersatz vor. Neugebauer: „Der Freibetrag beläuft sich bei Ehegatten z.B. auf 500.000 Euro, bei Kindern auf 400.000 Euro. Daneben kann in bestimmten Fällen ein Versorgungsfreibetrag in Anspruch genommen werden.“ Im Vorfeld der Übertragung sollte geprüft werden, ob die Vermögensverhältnisse korrekt dargestellt sind. Erbt z.B. ein Ehepartner eine Wohnung oder ein Haus und werden später umfangreiche Renovierungen oder An- bzw. Umbauten vorgenommen, so verlangt die kreditgebende Bank häufig, dass beide Partner den Darlehensvertrag unterschreiben. „In dieser Situation gehen nur wenige Ehepartner vorher zum Notar, um dem mithaftenden Partner einen Anteil an der Immobilie zu übertragen. Stirbt dann der rechtliche Eigentümer des Hauses, so erbt der Partner den Anteil, den er selbst mit aufgebaut hat.“ Bei Kindern gelten die Freibeträge zudem pro Elternteil. Verfügen beide Elternteile über Vermögen, kann ein Betrag von bis zu 800.00 € steuerfrei auf die Kinder übertragen werden. Der Freibetrag kann nach Ablauf von zehn Jahren erneut geltend gemacht werden. Dies kann dazu führen, dass Vermögen nicht in einem Vorgang, sondern verteilt über mehrere Jahrzehnte verschenkt wird. Inwieweit Eltern bereits zu Lebzeiten selbstgenutzte Immobilien an die nächste Generation weitergeben wollen, muss gut überlegt sein. Da bei der Übertagung von Immobilien ein notariell beglaubigter Schenkungsvertrag benötigt wird, kann hier sowohl ein Wohnrecht für die Eltern als auch ein Rückübertragungsrecht vereinbart werden.

Betrieblich gebundenes Vermögen wird geringer besteuert

„Bei Familienunternehmen sind die Vermögenswerte oft im Unternehmen gebunden. Wird hier Erbschaftsteuer fällig, muss ggf. ein Teil des betrieblichen Vermögens verkauft werden, um die Steuerschuld zu tilgen“, sagt Neugebauer. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann dies für das Unternehmen problematisch sein. „In der jetzigen Situation sehen wir das z. B. bei Zulieferern in der Automobilindustrie, die schwächelt. Viele dieser Betriebe sind familiengeführt. Wenn in so einer Situation des wirtschaftlichen Umbruchs vererbt wird, kann das ein Problem für das Unternehmen darstellen. Denn Vermögen ist nicht gleichzusetzen mit Liquidität.“ „Aus Bayern kennen wir den Fall von Thurn und Taxis. Nach dem Tod Johannes von Thurn und Taxis im Jahr 1990 mussten rd. 50 Mio. DM an Steuern gezahlt werden. Das Vermögen besteht zum großen Teil aus Wäldern, Schlössern sowie wertvollen Schmuckstücken und Antiquitäten. Knapp die Hälfte der Steuerschuld wurde durch den Verkauf von Schmuck und Einrichtungsgegenständen bezahlt. Der Rest wurde durch die Übertragung von Möbeln, Büchern und Kunstgegenstände an das Land Bayern beglichen.“ Inzwischen gelten für Kunstgegenstände etc. besondere Befreiungsvorschriften.

Wir haben aber auch Familienunternehmen, bei denen es durchaus so geregelt ist, dass die Erben über das geerbte Vermögen nicht frei verfügen können. Denn an erster Stelle steht immer das Unternehmen. So hat man im Erbfall ein großes Vermögen, aber nicht die Möglichkeit, es zu veräußern. Dafür habe der Gesetzgeber Steuerbefreiungen vorgesehen, die an diverse Bedingungen geknüpft sind. Im Endeffekt kann es dazu führen, dass gilt: „Je mehr Vermögen ich habe, desto geringer fällt die Erbschaftsteuer aus.“ Es hängt also stark davon ab, wie das Vermögen gebunden ist. Dies führt dazu, dass diejenigen mit einem mittleren Vermögen oft eher zur Steuer herangezogen werden, als jene mit einem großen Vermögen. In einigen Fällen kann die anfallende Steuer gestundet werden. Greifen diese Regelungen nicht, bleibt oft nur der Verkauf oder die Belastung eines Teils des übertragenen Vermögens, um die Steuerschuld zu begleichen.

Wer erbt die Schulden?

Bei Häusern spiele auch immer die Lage eine Rolle und wenn der Erblasser 40 Jahre ohne große Renovierungsmaßnahmen das Gebäude bewohnt habe, müsse erst einmal wieder investiert werden. Bei einem weit entfernten Verwandtschaftsgrad mit niedrigem Freibetrag und der Ungewissheit, wer sonst noch erbberechtigt sein könnte, lohne es sich nicht unbedingt, ein Erbe anzutreten. Erben bedeutet zudem nicht immer, ein schuldenfreies Vermögen zu kommen. Dazu Neugebauer: „Stellt sich hieraus, dass die Immobilie verschuldet ist, kann man das Erbe ausschlagen und die Erbschaft geht mitsamt den Schulden an die nächste Person in der Erbfolge. Tritt niemand die Nachfolge an, erbt am Ende ist der Staat.“ Ein Erbberechtigter hat grundsätzlich sechs Wochen ab Kenntnis des Erbes Zeit, um zu entscheiden, ob er das Erbe antritt oder nicht. Nimmt jemand das Erbe an, so tritt er rechtlich in die „Fußstapfen“ des Erblassers. Für die Schulden des Erblassers haftet der Erbe auch mit seinem eigenen Vermögen. Um dies zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, eine Nachlassinsolvenz zu beantragen. Damit wird die Haftung auf den Nachlass beschränkt und das eigene Vermögen haftet nicht mehr. 

Erbschaftsteuerfreies Ausland

Man mag es kaum glauben, aber es gibt in Europa tatsächlich Länder, die noch nie, oder nicht mehr, eine Erbschaftsteuer erheben. Darunter befinden sich u.a. Malta, Rumänien, Schweden, Zypern und seit 2008 auch Österreich. „Die hatten das gleiche Problem wie wir mit der Vermögensteuer. Nach einer erfolgreichen Klage gegen die Bemessungsgrundlage von Grundstücken wurde die Erbschaftsteuer dort komplett aufgehoben“, sagt Neugebauer. Generell sei es aber schwierig, die Steuerbedingungen der Länder zu vergleichen, da die Sozialsysteme unterschiedlich aufgebaut seien und auch andere Vergünstigungen gewährt würden. „In den Niederlanden werden Erbschaften durchaus hoch besteuert. Die Versorgung in den Pflegeheimen ist dort so organisiert, dass eine einkommensabhängige Selbstbeteiligung zu zahlen ist, aber nicht auf Ersparnisse, Vermögen oder unterhaltsfähige Angehörige zurückgegriffen wird. “

Steuerberater informieren

„Die Diskussion über die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer wird meistens sehr emotional geführt“, sagt Neugebauer. Die bei einem Vermögensübergang fällige Steuer lässt sich legal optimieren. Voraussetzung ist aber, dass Vermögen übertragen wird, d.h., der Schenkende muss dazu bereit sein, auf sein Eigentum zu verzichten. Steuerberater könnten eine erste Anlaufstelle sein, um sich umfassend zu informieren. „Die Bewertung von Unternehmensvermögen ist besonders herausfordernd. Die Art und Weise, wie die Erbschaft- und Schenkungsteuer erhoben wird, wird aktuell durchaus kritisch gesehen. Bedingt durch die Lohnsummenfrist von fünf bzw. sieben Jahren ist sie gerade für Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine schwer zu kalkulierende Steuerart. In der Wissenschaft würden wir eigentlich eine Erbschaft- und Schenkungsteuer mit einer breiteren Bemessungsgrundlage kombiniert mit einem niedrigeren Steuersatz präferieren“, wünscht sich Neugebauer abschließend, „so dass man damit besser kalkulieren und umgehen kann. Damit wäre sie berechenbarer und würde nicht ausgerechnet in wirtschaftlich schwierigen Situationen eine zusätzliche Steuerlast auslösen.“

Uwe Blass

Prof. Dr. Claudia Neugebauer arbeitet am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Steuerlehre in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft – Schumpeter School of Business and Economics an der Bergischen Universität.

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