Eine Komposition außergewöhnlicher Momentaufnahmen
Die Semesterkunstausstellung Screenshot an der Bergischen Universität
Drei Tage aufreibender Ausstellungskonzeption liegen hinter der Kunstprofessorin Katja Pfeiffer, ihren Mitarbeitenden Momo Trommer und Marc Kox sowie rund 50 Studierenden, die die großzügigen Flure der Ebene 13 an der Fakultät für Design und Kunst in der Fuhlrottstraße für die neue Semesterausstellung „Screenshot“ vorbereitet haben. Mit sicherem Gespür hat Pfeiffer, die seit 2006 an der Bergischen Uni lehrt, die entstandenen Semesterarbeiten in Position gebracht. „Ich kann die Ebene 13 inzwischen praktisch blind nachzeichnen und weiß wie die Räume bespielt werden können“, sagt sie lachend. „Meine Mitarbeitenden und ich laufen dann erst einmal nonstop im Erdgeschoss des Gebäude I im Kreis und verteilen die Exponate“. Dabei stellen sie Bezüge zwischen den Ausstellungsstücken her, die entweder formal, materialtechnisch oder inhaltlich passen.
Zwar kennt Pfeiffer die ausgestellten Werke bereits in ihrem Entstehungsprozess, den sie kontinuierlich begleitet, aber in der Ausstellung sind sie erstmals befreit von ihrem Atelierkontext und wirken in der Gemeinschaft mit anderen Werken. „Bestimmte Nachbarschaften kann man oft erst kurz vorher feststellen und dann die korrespondierenden, formalen Gemeinsamkeiten miteinander kombinieren.“ Sogar Erstsemester können sich mit kleinen Arbeiten bereits an den Ausstellungen beteiligen. Dass alle gleichermaßen gut zur Wirkung kommen hängt dann vom Zusammenspiel der Werke ab, wenn Positionen sich gegenseitig unterstützen oder kommentieren.
Kunstgeschichte und zeitgenössische Kunst stehen Pate
Die Ideen der Studierenden seien so vielfältig, wie die Menschen selber, sagt Pfeiffer und man könne zu jeder Arbeit eine lange Geschichte erzählen. „Z. B. haben wir eine Studentin, die wohnte neben einer Kirche. Sie hat schon als Kind immer diese Kirchenfenster und auch die Innenräume gesehen und wollte sich unbedingt mit dieser besonderen Raumwirkung beschäftigen.“ So entstand dann das Thema Kirchenfenster, mit dem man sich historisch, technisch oder zeitgenössisch auseinandersetzen könne, erklärt Pfeiffer. Das gehe dann über die klassischen Bleiverglasungen bis zu moderner Glaskunst der 2007 im Kölner Dom eingesetzten Südquerhausfenster nach dem Entwurf von Gerhard Richter, woraus dann Stück für Stück ein eigenes Thema entwickelt wird. Die Studentin Kim Schröter zeigt in der Ausstellung dazu nun eine Art Glasmobile mit changierenden Farben, sowie ein beleuchtetes möbelartiges Objekt mit selbst hergestellten Bleiglasscheiben.
Mit Informationen aus Kunstgeschichte und zeitgenössischer Kunst finden die Studierenden im Schaffensprozess Gemeinsamkeiten. „Einer meiner eigenen Professoren der Kunstakademie Düsseldorf, Jan Dibbets hat darauf hingewiesen, dass man sich quasi die eigene „Verwandtschaft“ in der Kunstgeschichte suchen kann“ erklärt Pfeiffer, „dass man sich mit der eigenen Fragestellung sozusagen einreiht in eine lange Reihe von Künstler*innen die sich schon mit ähnlichen Fragen beschäftigt haben.
Keine Themenvorgaben – im eigenen Leben umsehen
Große und installative Arbeiten werden zuerst zugeordnet, kleinere inhaltlich oder formal passende Werke vervollständigen das Gesamtbild. „Es gibt nie Vorgaben“, erklärt Pfeiffer, „und in diesem Jahr haben sich die Studierenden mit sehr vielen verschiedenen Themen beschäftigt und unterschiedlichste Materialien benutzt.“ Die Themen- und Materialfindung liegt dabei immer bei den Studierenden, die vom Team der Kunstprofessorin begleitet werden. Dabei finden sie über Fragen und Gespräche zu Formen und Inhalten ihrer Arbeiten. „Über diesen Werkprozess entdecken sie, was sie wirklich interessiert und nur so können Arbeiten entstehen die das eigene Interesse authentisch wiederspiegeln und beim Betrachter Neugier hervorrufen“, erläutert Pfeiffer. „Die Studierenden sehen sich im Grunde in ihrem eigenen Leben um.“ So entstehen beispielsweise Arbeiten, die aus Kindheitserinnerungen oder Traumbildern aber auch einfach aus Alltagsbeobachtungen herrühren, Fragen also, die in der Kunst seit jeher verhandelt werden. In anderen Fällen entstehen Projekte die aktuellen zeitgenössischen Themen auf der Spur sind, sei es das Feld der Geschlechteridentität, die Problematik von Klimakrise und Nachhaltigkeit, Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und vieles andere mehr.
Thema Familie in vielen Facetten
In der Ausstellung ´Screenshot` zeigt die Abteilung Kunst eine Momentaufnahme der Arbeiten mitten im Semester, wobei manche Arbeiten bereits abgeschlossen sind, andere jedoch noch weiterentwickelt werden. „Wir versuchen die verschiedenen Arbeiten in den Räumen zusammen zu komponieren“, sagt Pfeiffer, „das muss nicht immer für jeden ersichtlich sein, aber sie fügen sich gewissermaßen atmosphärisch zu einem sinnvollen Ganzen.
So beschäftigt sich ein Raum mit dem Thema Erinnerung. Zu sehen sind u.a. Portraits von Menschen, deren Gesichter verschwinden, eine Auseinandersetzung mit dem Thema Demenz. Parallel dazu liegt eine Gedenktafel, die an einen verstorbenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges erinnert auf einem Stapel Brennholz. Ein ´Objet trouvé`, in die Universität transferiert, so, wie im Garten vorgefunden. „Das hat familiär gesehen natürlich eine sehr bestürzende Bedeutung“, sagt Pfeiffer, und gleichzeitig ist es ein Beispiel für weiterhin schwer zu bewältigende Erinnerungskultur.
Überhaupt spielt das Thema Familie in diversen Arbeiten eine Rolle. So geben große Tafeln mit Gemälden von Familienmitgliedern in ihrer Anordnung Hinweise auf den Zustand der Familie. Und auch mit Blick auf die Tätowierung wird in der Ausstellung die Familie behandelt. Dazu hat eine Studentin die unterschiedlichen Tattoos all ihrer Familienmitglieder abstrahiert, teils in Knüpftechnik in farblich unterschiedliche Linien überlagert und zu einer großen wand- und raumfüllenden Installation verwoben.
Die Ausstellung „Screenshot“ ist noch bis zum 12. Juli, montags bis freitags in der Zeit von 9 bis 20 Uhr an der Bergischen Universität im Gebäude I, Ebene 13 (Zugang über Fuhlrottstraße), zu sehen.
Uwe Blass
Katja Pfeiffer, Jahrgang 1973, absolvierte ein Lehramtsstudium in Kunst und Erziehungswissenschaften an der Kunstakademie Düsseldorf in den Klassen Günther Uecker, Alfonso Hüppi und Jan Dibbets sowie ein Lehramtsstudium der Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität. Sie war Meisterschülerin bei Alfonso Hüppi. Seit 2006 ist sie Professorin für Kunst mit dem Schwerpunkt künstlerische Praxis an der Bergischen Universität Wuppertal.