´Seltene Erden`: Unverantwortlicher Abbau für reiche Industrienationen
Der Boden- und Grundwasserfachmann Jörg Rinklebe über den Export von Umweltproblemen und die langfristigen Konsequenzen der Nutzung von Bodenschätzen für den Digitalisierungsprozess
„Digitalisierung ist ohne ´Seltene Erden` nicht denkbar“, sagt Professor Jörg Rinklebe, Leiter des Lehr- und Forschungsgebietes Boden- und Grundwassermanagement an der Bergischen Universität und weist gleichzeitig darauf hin, dass der Abbau dieser Stoffe dramatische Folgen für Mensch und Umwelt hat und vermehrt haben wird, wenn die Welt nicht zügig Änderungen in den Standards sowohl im Produktions- als auch Recyclingbetrieb beschließt.
Viele technische Geräte ohne ´Seltene Erden` sind kaum denkbar
Wer seinem Chemieunterricht aufmerksam gefolgt ist, der weiß, was ´Seltene Erden` sind und wo man sie einordnet. „Es sind Elemente im Periodensystem“, beginnt Rinklebe, „von denen man früher annahm, dass sie natürlicherweise nur selten in der Umwelt vorkommen.“ Da gäbe es Elemente wie Scandium oder Yttrium und dann unterscheidet man zwischen leichten seltenen Erdenelementen (z.B. Cerium, Praseodym oder Neodynium) und schweren seltenen Erdenelementen (z.B. Gadolinium, Terbium oder Holmium). Das unglaublich große Anwendungspotential mache die ´Seltenen Erden` so attraktiv. „Man kann mit der Landwirtschaft beginnen. Dort werden sie als Düngemittel hinzugesetzt, um den Ertrag zu steigern, oder als Futtermittelzusatz in der Tierproduktion, um die Biomasseproduktion anzukurbeln“, erklärt der Fachmann, „aber vor allem in jedem elektronischen Gerät haben wir ´Seltene Erden`, ob es nun ein Bildschirm, ein Handy, ein Laptop oder ein Computer ist, überall sind ´Seltene Erden` enthalten. Auch für Batterien, wenn wir über Elektromobilität und damit verbunden Elektroautos sprechen, brauchen wir vor allem Lithium und Kobalt und seltene Erdenelemente. Auch Windkrafträder haben ´Seltene Erden`. Viele technische Geräte lassen sich sonst kaum denken.“
Hoher internationaler Bedarf unter katastrophalen Abbaubedingungen
Die Hauptabbauareale ´Seltener Erden` befinden sich in China, Australien und den USA. Einer der größten Funde wurde nun jüngst in Schweden gemacht. Doch so schön es auch sei, dass wir in Europa auch Rohstoffe haben, spiele das schwedische Vorkommen im internationalen Wettbewerb nur eine untergeordnete Rolle. „Das Vorkommen in Schweden wurde auf 1 Mio. Tonnen geschätzt“, erklärt Rinklebe, „den globalen Transport von ´Seltenen Erden` rechnen wir eher in hunderten Millionen Tonnen. Da weiß man schon, Schweden wird die globalen Lieferketten sicher nicht wesentlich verschieben.“
Der Abbau steht bei Umweltschützern allerdings in der Kritik, denn bei der Abtragung könnten Abwasserteiche entstehen, die mit Säuren, Schwermetallen, seltenen Erdenelementen und radioaktivem Material gefüllt, dann auch ins Grundwasser gelangen. Chinas Hauptabbaumine gilt daher auch als ´Hölle auf Erden`. Und doch „brauchen wir seltene Erden (…), um den Übergang zu einer klimasicheren Zukunft zu schaffen“, sagt Michele Bustamante, Nachhaltigkeitsforscherin beim Natural Resources Defense Council in Washington. Natürlich wisse man, dass beim Abbau viele Umweltschäden entstünden und in Ländern wie Mittel- und Lateinamerika sei das zusätzliche Problem, dass die Verantwortlichen keinerlei Rücksicht auf Umweltschäden oder menschenwürdige Arbeitsbedingungen nähmen, weiß Rinklebe und betont: „Dort herrscht null Arbeitsschutz, null Klimaschutz, null Umweltschutz! Die Menschen vor Ort haben eine geringere Lebenserwartung, sie sterben also früher, und es gibt Kinderarbeit ohne jegliche Umweltstandards.“ Dies betont Rinklebe auch auf seinen vielen internationalen Nature-Konferenzvorträgen. „Deutschland und Europa ist ja ach so rein und sauber. Wir sind ja mit unserer E-Mobilität ganz toll, dafür, dass wir sorgen, dass wir in Europa und auch hier in Deutschland eine saubere Luft haben.“ Aber wir seien auch hier im Westen in der Verantwortung, sowohl auf die Förderbedingungen, als auch auf die Entsorgung zu achten, und da gäbe es einen ganz großen Handlungsbedarf. „´Seltenen Erden` werden nämlich in Ländern wie China, Brasilien und Lateinamerika unter menschenunwürdigsten Bedingungen gefördert. Dort haben wir große Verseuchungen von Boden, Wasser und der Luft. Diese ´Seltenen Erden` werden in die reichen Industrieländer transportiert, dort verarbeitet und zum Schluss als Elektroschrott wieder in die Herkunftsländer zurückgeschickt.“ Ghana in Westafrika z.B. habe unkontrollierbare Müllhalden, wo Elektroschrott aus der ganzen Welt deponiert werde. Da sei auch der pressewirksame Besuch des deutschen Wirtschaftsministers wenig hilfreich. Bei der teilweisen Verbrennung inhalierten die Menschen dort entweder die entstehenden giftigen Stoffe, oder die ´Seltenen Erden` würden im Boden ausgewaschen, und es komme zu großflächigen Kontaminationen. „D.h., wenn wir elektronische Geräte benötigen, das schließt die Elektromobilität ein, dann müssen wir uns auch über die Förderbedingungen und um die Entsorgung kümmern. Auch dort müssen wir global im Kreislauf denken. Ansonsten, und das ist der große Vorwurf, den wir uns als reiche Industrieländer machen müssen, exportieren wir unsere Umweltprobleme.“
Dieses globale Problem untersucht Rinklebe u.a. mit seinen Mitarbeitern vor Ort. „Wir sind hier in meinem Labor in der Lage ´Seltene Erden` zu messen und gewinnen zur Zeit Bodenproben aus Ghana von solchen kontaminierten Standorten, die wir dann hier analysieren. Seit einem Jahr haben wir zusätzlich ein neues Großgerät, womit wir noch genauer arbeiten können.
Nachfrage `Seltener Erden` wird sich bis 2030 verfünffachen
Wie dringlich Rinklebes Aufruf ist, zeigt schon allein die prognostizierte Nachfrage ´Seltener Erden`, die sich bis 2030 nach Schätzungen verfünffachen wird, weil die EU erst 2035 Neuwagen mit Verbrennermotor gänzlich verbieten möchte. Daher könne man auch Verträge mit Ländern wie China oder Lateinamerika nicht stornieren. „Aber bei Neuverträgen ist es unsere Aufgabe als Deutschland, dafür zu sorgen, dass wenn wir aus Ländern wie China oder Lateinamerika ´Seltene Erden` beziehen, dort auch Mindeststandards in Arbeitsrecht/Arbeitsschutz und Umweltschutz vor Ort eingehalten werden. Dann müssen wir eben mehr bezahlen, um Handy, Laptop usw. zu finanzieren. Das ist der von uns notwendige Beitrag für eine sozial gerechtere und saubere Welt mit einem Nachhaltigkeitsanspruch.“
Bewusstsein für Gefahren schärfen
Umweltprobleme gehen immer mit sozialen Problemen einher, weiß Rinklebe und besonders in Asien, wo er regelmäßig tätig ist, war in der Vergangenheit oft eine große Ignoranz hinsichtlich der Gefahren von Umweltverschmutzung festzustellen. „Die zeigen oft auf den Westen und sagen, ja, ihr habt das doch auch gemacht, auch ihr habt eure Wirtschaft in den letzten 300 Jahren angekurbelt und nicht auf die Umwelt Rücksicht genommen. Das stimmt, ist dann meine Antwort, allein, wenn man sich die Industrie hier in Wuppertal anguckt, da wurde nie an die Umwelt gedacht. Daher haben auch wir heute mit Altlasten zu kämpfen. Aber ich entgegne dann immer: damals war erstens das Wissen nicht vorhanden und ein wichtiger Punkt, der noch hinzukommt ist, damals gab es auch nicht die Technologien, um diese Umweltschäden mindestens zu minimieren.“ Wir seien heute in der Lage nachhaltiger und umweltschonender zu produzieren, das koste im Moment zwar mehr, langfristig gesehen aber nicht. „Daher müssen wir heute im Vorfeld dafür sorgen, dass diese umweltschädlichen Stoffe erst gar nicht in die Umwelt gelangen, dass wir sauberer produzieren, damit nachher weniger saniert werden muss. Volkswirtschaftlich ist das auf jeden Fall kostengünstiger.“
1000 Fragen an 2000 Wissenschaftler*innen
Vom 6. bis 10. September organisiert Rinklebe dazu nun eine der größten Konferenzen, die international erstmalig mit rund 2000 Wissenschaftler*innen aus 76 Nationen in Wuppertal stattfinden wird. „Unsere Fachkollegen kommen aus allen Bereichen der Umweltforschung und der menschlichen Gesundheitsforschung. Unsere Konferenz steht unter dem Motto ´Clean Environment, Human Health, our Future`, das heißt, schütze die menschliche Gesundheit, schütze die Umwelt, denn das ist unsere Zukunft. Das hat sicher eine große Strahlkraft über Wuppertal, NRW, Deutschland und Europahinaus. Wir wollen das Thema in die Welt hinaustragen. Die Wissenschaftler kommen nach Corona wieder zusammen. Gerade in den Kaffeepausen und Abendveranstaltungen finden die enorm wichtigen Gespräche und Vernetzungen statt. Es werden neue Projekte entstehen und wir erhoffen uns auch, Impulse in die Gesellschaft und die Politik geben zu können. Es ist der wissenschaftliche Austausch, um bisher unbekannte Probleme zu verstehen und zu lösen.“
Uwe Blass
Univ.- Prof. Prof. mult. Dr.-Ing. agr. Jörg Rinklebe ist seit 2006 Professor für Boden- und Grundwassermanagement an der Bergischen Universität Wuppertal. Er gilt weltweit als einer der einflussreichsten Wissenschaftler in seinem Fachgebiet. Seine Arbeiten werden sehr häufig zitiert, weshalb er zum „Highly Cited Researcher“ gekürt wurde. Auf der Weltrangliste für Umweltwissenschaften steht er auf Platz 4, wobei bisher nur wenige deutsche Wissenschaftler überhaupt unter den ersten 100 Plätzen gelistet sind. Von 1997 bis 2006 war er als Wissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter in der Sektion Bodenforschung des UFZ-Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle GmbH in Halle tätig. Er studierte ein Jahr Ökologie an der Universität Edinburgh in Schottland (UK). An der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg studierte er Landwirtschaft und spezialisierte sich auf Bodenwissenschaften und Pflanzenernährung.