Wie englisch sind die Royals eigentlich?
Privatdozent Dr. Georg Eckert über den Einfluss deutscher Adelshäuser in der Geschichte der britischen Monarchie
Bei der „Royal Family“ denkt man spontan an Namen wie Heinrich VIII., dessen Tochter Elisabeth I. oder auch an ihre Rivalin Maria Stuart: allesamt gebürtige Briten, die auf ihre Weise Weltgeschichte schrieben. Aber nach der Herrschaft der Tudors und Stuarts lassen sich zahlreiche ´deutsche` Könige des Inselreiches nachweisen. William III. beispielsweise, der ab 1688 regierte, hieß eigentlich Prinz Wilhelm von Nassau-Oranien. Dr. Georg Eckert, Privatdozent für Neuere Geschichte an der Bergischen Universität, kennt die Umstände, durch die es zu dieser und weiteren ´deutschen` Thronbesteigungen in Großbritannien kam.
Dynastische Heiratspolitik
„Herrscherdynastien der Frühen Neuzeit empfanden sich kaum als national, sondern als einen besonderen Stand“, sagt Eckert, „der durch seine Herkunft über solchen Zugehörigkeiten stand.“ Das spiegele die für frühneuzeitliche Politik so wesentliche dynastische Heiratspolitik wieder, die ‚international` angelegt war. „Solche Verbindungen waren üblich, eben auch bei Wilhelm von Nassau-Oranien. Er war mit (einer weiteren) Maria Stuart verheiratet, der ältesten Tochter Jakobs II. /VII. (von England bzw. Schottland), und folgte seinem Schwiegervater, der sein Königreich hatte rekatholisieren wollen, nach der ´Glorreichen Revolution` 1688/1689 auf dem Thron.“ Seitdem ist der König nicht mehr Alleinherrscher, sondern nur noch in Verbindung mit dem Parlament Träger der Staatssouveränität: ´King-in-Parliament` heißt das im Staatsrecht der Insel. „Gleichwohl lässt sich im Laufe der Zeit immer schärfere Kritik an ´fremden‘ Mitgliedern des Königshauses beobachten“, weiß Eckert, man kreidete dem neuen König seine nicht-englische Herkunft immer wieder an, da er bis zu seinem Tode in Personalunion weiterhin auch als Statthalter in den Vereinigten Niederlanden amtierte. Wilhelm III. unterstützte zwar die anglikanische Kirche, doch seine Herrschaft durfte er eben nur zusammen mit seiner englischen Frau Maria II. als gleichberechtigter Königin ausüben.
Act of Settlement regelt protestantische Thronfolge
Ein besonderes Gesetz beschränkte ab 1701 sogar die Thronfolge auf die natürlichen und legitimen Nachkommen von Sophie von der Pfalz (1630–1714), der Kurfürstin von Braunschweig-Lüneburg und Enkelin von Jakob I. Im sogenannten ´Act of Settlement` überlagerten sich politische und konfessionelle Motive. „Damals war die Lage heikel. Wilhelm III. und Maria II. hatten keine eigenen Kinder, so dass die Herrschaft an Marias Schwester Anne, eine weitere geborene Stuart, überging“, erklärt der Wissenschaftler. Anne selber sei eine tragische Figur, schildert Eckert, die viele Früh- und Totgeburten erlitt und deren Sohn Wilhelm, der eigentliche Thronfolger, bereits im Alter von 11 Jahren verstarb. So wurde die Erbfolge zu einem eminenten Politikum. „Die Dynastie der Stuarts stand nun vor dem Aussterben, nur noch ein Zweig hatte überlebt.“ Doch das war ausgerechnet derjenige des bereits erwähnten, vertriebenen, katholischen Königs Jakob II., der bei seinen Thronansprüchen auf die Unterstützung des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. zurückgreifen konnte. „Um eine solche, katholische Sukzession abzuwenden, änderte das englische Parlament die Nachfolgeregelung zugunsten der Nachfahren von Sophie von der Pfalz.“ Sophies Mutter Elisabeth wiederum war die Tochter des ersten Stuart-Königs Jakob I., ihr Vater Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz stammte aus einer Linie des Hauses Wittelsbach. „Der ´Act of Settlement` schloss sowohl Katholiken als auch solche mit katholischen Ehepartnern von der Thronfolge aus“, erklärt Eckert. „Dieses Novum, das am Ende langanhaltender Auseinandersetzungen stand, garantierte, dass auch künftig ein Protestant regieren würde – und erneut ein Monarch, der über wenig eigenen Rückhalt auf der Insel verfügte, denn Sophie von der Pfalz war mit dem hannoveranischen Kurfürsten Ernst August verheiratet. Man kann darin fast ein Muster erkennen: Mächtige Akteure auf der Insel setzten erneut auf einen eher schwachen Herrscher vom Kontinent, um ihre eigene Position zu stärken.“ Dieses Gesetz gilt im Grundsatz bis heute: Immerhin ist der britische Monarch nach wie vor ´Supreme Governor` der Anglikanischen Kirche – und erst seit 2013 stünde einem Herrschaftsantritt ein katholischer Ehepartner nicht mehr im Wege. Als Ernst August, Prinz von Hannover und als solcher eben eine weitläufiger Verwandter der heutigen Royal Family und deshalb dem britischen Thronfolgegesetz unterworfen, im Jahre 1999 die katholische Caroline von Monaco heiratete, hatte er gemäß dem ´Act of Settlement´ zuvor Königin Elisabeth II. um Erlaubnis zu ersuchen.
Das Haus Hannover
Ab 1714 fand dann sozusagen ein deutscher Hochadelswechsel am englischen Hof statt und das Haus Hannover übernahm die Geschicke des Landes bis zum Jahr 1901. Unter der Herrschaft dieser Linie des Welfengeschlechts erlebte Napoleon sein Waterloo, die Vorherrschaft auf den Weltmeeren wurde ausgebaut und das Britische Weltreich konnte auf anderen Kontinenten sogar vergrößert werden. Doch wie kamen die Hannoveraner nach England? „Der ´Act of Settlement` schuf die gesetzlichen Grundlagen dafür“ sagt Eckert. Die enge Verbindung des Hauses Hannover mit dem britischen Königshaus gehe auf das Jahr 1714 zurück. Der Kurfürst von Hannover bestieg als Georg I. den englischen Thron. Er war der Sohn der besagten Sophie von der Pfalz. „Das Thema der fremden Monarchen blieb weiterhin virulent, denn die Könige aus dem Hause Hannover amtierten weiterhin in Personalunion auch in ihrem angestammten Territorium. Die in Schottland beheimateten Stuarts ihrerseits genossen weiterhin eine landesweite Unterstützung, wie sich bei mehreren Aufständen bzw. Aufstandsversuchen zeigte. Das zeitgenössische Gerücht, Georg I. sei zeitlebens des Englischen nicht mächtig gewesen, erschwerte die Anerkennung des Hauses Hannover zusätzlich.“ Die enge Verbindung zwischen dem britischen Thron und den hannoveranischen Festlandbesitzungen endete erst im Jahre 1837 mit der Thronbesteigung Königin Viktorias. Sie war als Tochter Eduard August, dem Herzog von Kent und Strathearn, eine Hannoveranerin. Aber das welfische Erbrecht ließ im Königreich Hannover, anders als in Großbritannien, keine weibliche Thronfolge zu. Daher löste sich die über ein Jahrhundert währende Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover seinerzeit auf.
Das Haus Sachsen-Coburg und Gotha
Als Königin Victoria 1901 starb, endete mit der Thronbesteigung ihres Sohnes, Eduard VII., die Linie der Hannoveraner. Der neue englische König kam nun aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha. „Die Dynastie Sachsen-Coburg und Gotha war eine Nebenlinie der Wettiner, die über ein vergleichsweise nachrangiges Territorium herrschte. Doch gerade das war wohl ein Grund dafür, dass sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts binnen weniger Jahre gleich mehrere Königswürden errang“, sagt Eckert. So besetzte diese Familie den Thron in Belgien mit Leopold I. – auch der amtierende König Philippe stammt aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha –, begründete die in Portugal regierende Dynastie Coburg-Braganza mit Ferdinand II. und heiratete mit dem Vater Eduards VII., Prinz Albert, in die britische Königsfamilie ein. „Im stark von nationalen Ideen geprägten 19. Jahrhundert stieß diese Hochzeit in der britischen Öffentlichkeit zunächst auf massive Ablehnung“, weiß Eckert, „zumal die Rolle eines Prinzgemahls ohne eigene Herrschaftsrechte erst einmal neu erfunden werden musste.“ Albert und Victoria betrieben je auf ihre Weise eine energische Modernisierung der britischen Monarchie, erklärt der Forscher. „Albert begeisterte sich vor allem für technische Innovationen. Auf sein Wirken geht die erste Weltausstellung in London im Jahre 1851 zurück. Victoria gelang es in ihrer 64jährigen Regierungszeit, zu einer populären Identifikationsfigur zu werden, wenn auch unter eher widerwilliger Preisgabe politischer Entscheidungsmacht.“ Seither hielten sich britische Monarchen von der Tagespolitik eher fern und erzielten ihre Wirkung durch die Wahrnehmung repräsentativer Aufgaben und zahlreicher Wohltätigkeitsprogramme. „Man kann sagen, dass sie schon im späten 19. Jahrhundert zu Medienstars wurden“, beschreibt Eckert die Quellenlage.
Aus ´Sachsen – Coburg und Gotha` wird das Haus ´Windsor`
Seit 1917 heißt die königliche Familie des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha um die jüngst verstorbene Monarchin Elisabeth II. mit Familiennamen Windsor. Für die Namensänderung gab es einen politischen Grund, der sich aus der eingangs erwähnten Heiratspolitik erklären lässt. In den Ehen von Viktorias Kindern zeige sich, erklärt Eckert, wie sehr sich die Dynastien noch immer nationalen Zuordnungen zu entziehen suchten. „Victorias gleichnamige Tochter war mit dem preußischen Thronfolger Friedrich verheiratet, dem Hundert-Tage-Kaiser aus dem Hause Hohenzollern. Sie war die Mutter Kaiser Wilhelms II. Der spätere König Eduard VII. war mit einer dänischen Prinzessin vermählt“, zählt Eckert auf. „Alice, eine weitere Tochter, heiratete den hessischen Großherzog, ihr Bruder Alfred eine russische Großfürstin aus dem Zarenhaus. Auch alle anderen Geschwister, bis hin zur jüngsten Tochter Beatrice, die die Gattin von Heinrich Moritz von Battenberg wurde, vermählten sich mit kontinentalem Hochadel.“ Diese ausländischen und vor allem deutschen Verbindungen wurden in den enormen nationalen Aufwallungen, die der Erste Weltkrieg mit sich brachte, plötzlich zum Problem. Eckert erklärt es so: „Nun kam dem offenkundig deutschen Namen der Dynastie ein schriller Klang zu, prinzipiell und in der konkreten Kuriosität, dass im Jahre 1917 ausgerechnet deutsche Bomber der Bauart ´Gotha G.IV` erste Luftangriffe auf Großbritannien flogen. Zudem hatte die Abdankung des russischen Zaren auch bei den Sachsen-Coburg-Gothas in Großbritannien die Sorge vor einem abrupten Ende der Monarchie gemehrt, so dass Georg V. für seine Dynastie im Juli des Jahres 1917 einen neuen Namen proklamierte.“ Das Haus Windsor war geboren. „Georg V. besetzte also einen in der Tradition präsenten Namen neu – Schloss Windsor ist also um viele Jahrhunderte älter als die umfirmierte Dynastie, die es bis heute besitzt. Kaiser Wilhelm II. soll auf die Umbenennung seiner Verwandtschaft übrigens mit der durchaus geistreichen Bemerkung reagiert haben, er freue sich schon auf die nächste Aufführung der ´Lustigen Weiber von Sachsen-Coburg-Gotha`, in Anspielung auf Shakespeares ´The Merry Wives of Windsor`.“
Prinzgemahl mit ungeliebtem Namen
Im Jahre 1947 heiratete die spätere Königin Elisabeth II. Prinz Philipp – freilich erst nach einem Namenswechsel, der wiederum seine ‚deutsche‘ Herkunft verschleiern sollte. Philipp wurde kurz vor der Hochzeit auf einmal zu einem „Mountbatten“. Diese Familie hatte ebenfalls im Laufe des Erstens Weltkriegs ihre Bezeichnung geändert, zuvor hieß sie Battenberg. „Ursprünglich ist das eine Nebenlinie des hessischen Großherzogshauses“, weiß Eckert. „Die Battenbergs gehörten zum britischen Königshaus, und zeitgleich mit diesem reagierten sie auf die antideutsche Prägung der Weltkriegszeit. Sie war derart stark, dass der damals bedeutendste Battenberg, der in Graz geborene und in Hessen aufgewachsene britische Admiral Ludwig Alexander von Battenberg, bereits im Oktober des Jahres 1914 nach einer Kampagne, die seine Loyalität gegenüber Großbritannien in Zweifel gezogen hatte, vom herausragenden Amt des Ersten Seelords zurücktreten musste.“ Sein Sohn, Louis Mountbatten, war der letzte Vizekönig von Indien und erlangte traurige Berühmtheit, als er 1979 durch ein Attentat der IRA ermordet wurde. Er war der Onkel von Philipp, dem späteren Herzog von Edinburgh. Dieser wiederum war „geboren als Prinz Philipp von Griechenland und Dänemark. Sein Vater stammte aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Das war auch in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg kein respektabler Name für einen Prinzgemahl. Im Jahre der Hochzeit mit der britischen Thronfolgerin änderte Philipp seinen Nachnamen und wurde in Anlehnung an die Abstammung seiner Mutter nunmehr ebenfalls ein Mountbatten. Die britische Staatsangehörigkeit erhielt er erst im Rahmen der Hochzeitsvorbereitungen.“
Hollywood statt Hohenzollern
Mit Sophie, Gräfin von Wessex, Queen Consort Camilla, Prinzessin Catherine und Herzogin Meghan haben in den letzten Jahren keine deutschen Vertreterinnen mehr in die Royal Family eingeheiratet. Der neue britische König, Karl III., spricht allerdings wie schon seit Vater Philipp fließend Deutsch, davon konnte man sich bei der Rede des Kronprinzen im Deutschen Bundestag bereits 2020 überzeugen. Es sei prinzipiell allerdings eine gewisse Nationalisierung der Königsdynastie zu beobachten, sagt Eckert, die Anzahl britischer Ehepartner nehme seit dem späten 19. Jahrhundert zu, doch stießen als Zeichen einer Demokratisierung der Monarchie erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts auch bürgerliche Hochzeiten auf Zustimmung. Die Abdankung Edwards VIII. durch seine Eheschließung mit der zweimal geschiedenen bürgerlichen – und obendrein: amerikanischen – Wallis Simpson stürzte die Monarchie 1936 kurzzeitig noch einmal in eine Krise. „Wie man an Herzogin Meghan sehen kann, ist Hollywood mittlerweile weitaus attraktiver als die Hohenzollern“, sagt Eckert abschließend. „Die Trauer um Elisabeth II. zeigt sogar, inwiefern die britischen Monarchen auf ganz andere Weise als vormals wieder zu globalen Gestalten geworden sind. Abgesehen davon, dass sich auch Karl III. gewiss nicht dem Verdacht aussetzen würde, sich bevorzugt von Angehörigen anderer Nationen beraten zu lassen, kann man ganz im Sinne uralter aristokratischer Praxis sagen: Wenn ein ´Deutscher` an einem Königshof einen besonderen Einfluss hätte, dann eher nicht qua seiner nationalen, sondern wenn schon seiner verwandtschaftlichen Nähe.“
Nicht unerwähnt sollte zum Schluss noch die einzige Bergische Königin auf dem englischen Thron bleiben, auch eine ´Deutsche`: Anna von Kleve (1515 – 1557). Die gebürtige Düsseldorferin verbrachte ihre Jugend auf Schloss Burg, bevor sie mit dem englischen König Heinrich VIII. verheiratet wurde. Als dessen vierte von sechs Gemahlinnen ging sie in die Geschichte ein.
Uwe Blass
Dr. Georg Eckert studierte Geschichte und Philosophie in Tübingen, wo er mit einer Studie über die Frühaufklärung um 1700 mit britischem Schwerpunkt promoviert wurde, und habilitierte sich in Wuppertal. 2009 begann er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Geschichte und lehrt heute als Privatdozent in der Neueren Geschichte.