Prof. Dr. Julia Bornhorst / Lebensmittelchemie
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Ich habe mich in die Spurenelemente verliebt

Die Lebensmittelchemikerin Prof. Dr. Julia Bornhorst und das Forschen nach der richtigen Dosis

Mit „Noch`n Toast, noch`n Ei, noch´n Kaffee, noch`n Brei, etwas Marmelade etwas Konfitüre…“ landeten die Gebrüder Blattschuss 1979 einen deutschen Schlagerhit und beschrieben darin des Deutschen liebstes Frühstück, mit dem bis heute bundesweit die Menschen den Tag beginnen. Die Frage, ob das allerdings so richtig ausgewogen und gesund ist, stellt sich eigentlich niemand. An dieser Stelle setzt die Lebensmittelchemikerin Professor Dr. Julia Bornhorst an und sagt: „Wir sollten nicht mehr Dinge tun, nur, weil wir es immer so gemacht haben.“ Zwar betont sie, „ich bin ein großer Fan davon, einfach zu essen, worauf ich Lust habe“, aber die bewusste Ernährung, die sich jetzt in der Bevölkerung durchsetzt, führt auch dazu, sich zu fragen, ob das, was wir zu uns nehmen, alles so sinnvoll ist. „Jetzt kommen die Lebensmittelchemiker so langsam ins Spiel, die seit zehn Jahren sagen: Wir müssen das alles in den Konzepten überdenken. Wir sollten vielleicht bestimmte Empfehlungen für bestimmte Altersgruppen machen oder auch erforschen, was im Alter passiert.“

Unsere Lebensmittel sind unbedenklich

Zur Aufklärung der Bürger*innen stellt Bornhorst zunächst fest: „Wir haben in Deutschland den total tollen Fall, dass wir ein unfassbar hohes Niveau an Lebensmittelsicherheit haben. Niemand von uns muss wirklich Bedenken haben, weil wir das rechtlich so abgesichert haben, dass wir über die gesamte Prozesskette, von der Unternehmensverantwortung bis zum Verbraucher, incl. Risikobewertung, Risikomanagement, und Vorsorgeprinzip, wirklich alles abdecken. In dem Augenblick ist jedes Lebensmittel, was den Handel und unsere Teller erreicht, mit einem sehr hohen Schutzniveau versehen.“ Wer dennoch unsicher ist, oder spezielle Nachfragen hat, dem empfiehlt die Wissenschaftlerin „die Homepage der deutschen Gesellschaft für Ernährung, weil die sich einmal mit Ernährungskonzepten beschäftigen, aber auch damit, was der Stoff im Körper macht. Und das auf einer Basis, die jeder gut verstehen kann. Wenn man eine bestimmte Zutat erfahren möchte oder, wenn man sich über eine bestimmte Zutat Sorgen macht, dann schaut man beim Bundesinstitut für Risikobewertung oder bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (rein englischsprachige Texte). Da kann man sich sehr schön informieren. Was sind die Empfehlungen? Was sollte ich pro Tag bei meinem Gewicht und meiner Bewegung aufnehmen, um mich gesund und ausgewogen zu ernähren?“

Die Menschen werden immer älter

Die Lebensmittelchemikerin setzt sich auch mit dem gesellschaftlichen Phänomen der alternden Gesellschaft auseinander. „Wir werden aktuell so alt, wie niemals zuvor“, sagt sie, „wir haben heute sehr viele Erkrankungen, die früher nicht dominiert haben.“ Dazu zählen Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes sowie Demenzerkrankungen, die sich aufgrund der höheren Lebenserwartung häufen. Da setzt Bornhorst mit einer entscheidenden Frage an: „Was ist der Faktor dafür? Ist es der Faktor, wir werden älter? Oder hat sich unser Ernährungsverhalten verändert, dass wir uns eigentlich, jetzt, wo wir wissen, dass wir älter werden, uns anders ernähren sollten?“ Gibt es also eine ernährungstechnische Antwort auf ein gesundes Altern ohne Erkrankungen, Schmerzen oder Demenz? Man müsse von der Lebensmittelseite schauen, erläutert die Forscherin, wie man optimal unterstützen oder Empfehlungen aussprechen könne, da sich durch die Ernährung das Krebsrisiko um schätzungsweise 30% reduzieren ließe. Neben Übergewicht, werden auch Alkoholkonsum und Rauchen als Risikofaktoren diskutiert. Viele Menschen schlemmen einfach zu viel, nehmen zu viel Zucker auf.“ Risikominimierung ist das Stichwort und eine gesellschaftliche Veränderung ist bereits im Gange. So erlebt Bornhorst auch ihre Studierenden, die sich heute viel bewusster ernähren. „Es wird mehr über Gemüse und Obst nachgedacht, in den unterschiedlichsten Darreichungsformen. Ob das ein Smoothie ist, oder noch der klassische Apfel.“
Ebenso haben staatliche Institutionen wie Altenheime, Krankenhäuser oder Kindergärten den Umdenkprozess mittlerweile vollzogen. „Es gibt heute in vielen Kindertagesstätten das Konzept des gemeinsamen Frühstücks. Man gibt sein Kind ab und es erhält dort ein gesundes Frühstück aus einem Vollkornbrot, ein bisschen Gurke und Tomate. Wenn die Kinder heute im Kindergarten Geburtstag feiern, dann gibt es gesunde Muffins oder nur ein kleines Eis mit einem Obstsalat dazu.“

Ich habe mich früh in die Spurenelemente verliebt

Den Weg zum Lebensmittelstudium bereitete ein guter Chemielehrer in der Schule vor, der die naturwissenschaftlich interessierte Schülerin durch Experimente mit Lebensmitteln für das Fach inspirierte. „Ich habe mich damals schon gefragt, wenn man das Brot zu Hause verarbeitet, warum riecht das Brot eigentlich? Was passiert, wenn das Fleisch beim Anbraten so gut riecht. Oder warum riecht es denn auch so lange? Ich habe mich mit dem Geruch und den Molekülen beschäftigt,“ erzählt sie immer noch begeistert, „und dann habe ich erst gesehen, dass es das Fach Lebensmittelchemie gibt.“ In Münster schreibt sich Bornhorst schließlich ein und entdeckt ihr Interesse an den Spurenelementen. „Es gibt so viele Felder, die wir nicht verstanden haben. Ich habe mich persönlich schon ganz früh in die Spurenelemente verliebt, weil wir zum damaligen Zeitpunkt gar nichts darüber wussten.“ Neben den großen vier Elementen Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff machen die Spurenelemente eigentlich nur einen ganz kleinen Teil aus, aber, so Bornhorst, „ohne Spurenelemente könnten wir nicht leben. D.h., wir müssen sie aufnehmen. Das ist für unser Überleben erforderlich, denn nur dadurch funktionieren die ganzen enzymatischen Prozesse. Das Immunsystem und das Herz-Kreislauf-System funktionieren durch sie. Ohne die Spurenelemente würde sich das Gehirn gar nicht entwickeln.“ Die Wissenschaftlerin beschäftigt sich dabei vor allem mit den Elementen Eisen, Mangan, Kupfer, Zink und Selen, die alle eine ganz große Rolle in einer Vielzahl an Prozessen spielen.
Das entscheidende Problem, über das die Wissenschaft zum heutigen Stand keine gesicherte Aussage treffen kann, ist die Tatsache, dass „wir immer noch nicht sagen können, wie viele dieser Stoffe wir eigentlich brauchen.“ Zwar könne man die Folgen einer Überdosierung messen, doch „zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir nicht einmal, ob wir genügend mit den jeweiligen Spurenelementen versorgt sind, weil wir nicht genug Marker haben“, schildert sie die Situation. Seit einigen Jahren ist die engagierte Akademikerin Mitglied in einem Forschungskonsortium von sechs interdisziplinären Forschergruppen, die sich mit der Veränderung von Spurenelementen im Alter beschäftigen (DFG-Forschergruppe TraceAge). Ca. 200 Probanden wurden nach 20 Jahren noch einmal anhand von Blutproben und Ernährungsprotokollen evaluiert, um Nachweise zu generieren, die Aussagen darüber zulassen, wie sich die Spurenelemente im Alter verändern. Die Arbeitsgruppe von Frau Bornhorst setzt im Rahmen dieser interdisziplinären Studie Modellsysteme ein, wie Zellkulturen und den Fadenwurm C. elegans.

Krankheitssimulation an Fadenwürmern

Er ist nur einen Millimeter lang, lebt in der Regel knapp 21 Tage und ist über eine internationale Datenbank erhältlich: der Fadenwurm. Mit Hilfe dieses Winzlings können die Forscher*innen neurodegenerative Krankheiten, wie z.B. Parkinson, simulieren. „Wir kennen die komplette Genetik. Und was wir kennen, können wir auch manipulieren“, erklärt sie. „Der Wurm ist ein außerordentliches Forschungsmodell. Er ist durchsichtig und Gene und Proteine können sogar in der Untersuchung eingefärbt werden. Wir kennen alle Neurotransmitter in seinem Gehirn (wie Dopamin und Serotonin). Der Fadenwurm wird von diesen Neurotransmittern komplett in seiner Schlängelbewegung gesteuert. Wenn sich also die Schlängelrate verändert, wissen wir, bei dem Wurm stimmt was nicht.“ Über die Gabe von Mangan an manipulierte Würmer und die daraus resultierende frühere Sterberate, lassen sich Erkenntnisse erzielen, was zuviel Mangan für mechanistische Folgen hat. „So können wir auf Dauer die Folgen einer Über- und Unterversorgung mit Spurenelementen besser verstehen und vielleicht sogar durch Zugabe von außen wieder in die „richtige“ Balance bringen,“ erklärt Bornhorst. Gerade im Bereich dieser Grundlagenforschung ist die interdisziplinäre Arbeit unendlich wichtig. „Ich habe ganz viele Kooperationspartner aus den unterschiedlichsten Gebieten. Ich arbeite mit Epidemiologen, mit Analytikern, Toxikologen und Arbeitsmedizinern“, zählt sie auf und postuliert: „Wir müssen uns zusammentun, weil nur alle zusammen überhaupt ein Bild erreichen!“

Wir wissen nur, dass wir zu wenig wissen

„Wir kennen die ist-Situation noch nicht einmal“, schildert Bornhorst das Forschungsdilemma, „wir wissen nur, dass wir zu wenig wissen.“ Die Forscherin forciert die Vernetzung auch zu Behörden und der Industrie, weil sie weiß, dass nur die Erkenntnisse aus einer gemeinsamen Zusammenarbeit den Weg zum Verbraucher finden. An der Bergischen Universität lobt sie die gute Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen aus der Chemie und Biologie und sagt: „Mein Traum ist es, irgendwann den Leuten bei einer Erkrankung zu sagen: Vielleicht würde ich Dir empfehlen, ein bisschen weniger davon oder ein bisschen mehr davon aufzunehmen, dann sind vielleicht auch die Symptome geringer.“

Am wichtigsten ist es, nicht mit dem Fragen aufzuhören. Die Neugier hat ihre eigene Daseinsberechtigung, sagt Albert Einstein. So kommt die Wissenschaft immer ein Stückchen voran.

Uwe Blass (Gespräch vom 09.01.2020)

Julia Bornhorst studierte und promovierte an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster. Sie arbeitete fünf Jahre am Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Potsdam. Seit Januar 2019 ist sie Professorin für Lebensmittelchemie an der Bergischen Universität.

 

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