„Es wäre doch toll, etwas in der Musiklehrerausbildung verändern zu können“
Dr. Annette Ziegenmeyer und das Projekt KulturCampus Wuppertal
Ihr Herz schlägt für die Schule, in der Dr. Annette Ziegenmeyer neun Jahre sehr glücklich unterrichtet hat. In dieser Zeit spürte sie aber auch die Zwänge dieses bürokratischen Systems, stand vielen Entscheidungen bald kritisch gegenüber und konnte viele ihrer Ideen dort nicht mehr umsetzen.
Das Ziel, einmal an einer Universität oder Hochschule zu unterrichten, hatte die gebürtige Hildesheimerin schon früh vor Augen. Die Liebe zur französischen Sprache sowie eine engagierte Musiklehrerin, die einen beispielhaft inklusiven Musikunterricht gab, als das Wort in den Schulen noch fremd war, prägten die akademische Rätin. Begeistert schildert sie deren Vorgehensweise: „Sie hat uns wirklich alle zum Musikmachen inspiriert und es hinbekommen, dass schließlich der ganze Jahrgang über den Unterricht hinaus an den sogenannten „Musikwochen“ teilnahm. Im Musikunterricht erinnere ich mich besonders gut an ihre selbstgeschriebenen Arrangements, die richtig gut klangen und in denen jeder von uns seinen individuellen Spielpart bekam. Besonders toll war, dass man hierbei ganz „en passant“ die Noten mitgelernt hat.“
Enger Kontakt zwischen Schule und Universität ist wichtig
Seit 2015 ist sie nun schon an der Bergischen Universität Wuppertal und hält den engen Kontakt zwischen Hochschule und Schule in dieser ersten Phase der Lehrerbildung für extrem wichtig. „Ich wünschte mir, dass ich im Rahmen meiner universitären Lehre auch ein Mindestmaß an der Schule unterrichten könnte (beispielsweise in Form einer AG). Ideal wäre es, wenn so etwas sogar in den einzelnen Stellenprofilen in der Lehrerbildung verankert wäre. Nur wer beide Institutionen von innen kennt und auch als Hochschullehrender im Bereich der Lehrerbildung den Kontakt zum Lernort Schule nicht verliert, kann auch beide Ebenen zusammendenken. Ich glaube, dass ich durch den nach wie vor sehr intensiven Kontakt mit Musiklehrkräften an unterschiedlichen Schulen und die regelmäßige Durchführung von Schulprojekten mit unseren Studierenden diesen Anspruch ein Stück weit erfülle und erlebe das auch als Stärke.“
Die Musik ist einfach etwas, was uns hier alle zusammenhält.
Ihre Stärke liegt allerdings nicht nur in der Tätigkeit als Lehrende, sondern auch in ihrer künstlerischen Ausrichtung. So geht es der Blockflötistin und Komponistin Annette Ziegenmeyer vor allem um eine Musikpädagogik, in der die Musik das verbindende Element ist und Kreativität ihren Platz hat. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die von ihr bereits in Wuppertal angestoßenen Projekte darauf abzielen, Lehramtsstudierende darin zu ermutigen, ihre individuellen Interessen und Stärken zu verwirklichen. So entstand auch ihr Herzensprojekt, der KulturCampus Wuppertal, ein Service Learning Projekt der Musikpädagogik.
Service Learning Projekt: KulturCampus Wuppertal
Im Mai 2016 lernte sie über das Wuppertaler Kulturbüro den freischaffenden Musiker und Musikpädagogen Björn Krüger (Uncle Ho; Planet K - Kultur für alle e.V.) kennen. Eine folgenschwere Begegnung, durch die das gemeinsame Projekt KulturCampus Wuppertal erst richtig Fahrt aufnehmen konnte. Bevor der „KulturCampus Wuppertal“ dann ab Wintersemester 2016/17 wirklich starten konnte, führten Ziegenmeyer und Krüger zunächst Gespräche mit der Hochschulleitung und erhielten hier positive Unterstützung. Außerdem warben sie Fördergelder bei der Jackstädtstiftung und der FABU ein.
Was genau passiert nun im KulturCampus Wuppertal?
In einem Wahlpflichtmodul bekommen die Studierenden der Bergischen Universität Wuppertal Einblicke in musikkulturelle Arbeitsfelder und erwerben die hier erforderlichen Kompetenzen (Projektkonzeption und Projektgestaltung, Suche nach Förderern, Antragstellung, Kostenkalkulation, Vernetzung etc.).
Die Studierenden entwickeln dann eine eigene Idee für ein musikkulturelles Projekt - musikkultureller, musikpädagogischer oder künstlerisch orientierter Schwerpunkt - und führen dieses dann auch selbst durch. Eine Prüfung, bestehend aus einer schriftlichen Projektdokumentation sowie einem Vortrag und Kolloquium runden das Modul ab und führen zum Zertifikat „KulturCampus Wuppertal: Projektarbeit in der kulturellen Bildung“.
„Der KulturCampus Wuppertal entfaltet genau an der Stelle seine Wirkung, wo die Spannungen zwischen künstlerischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Entwicklungsprozessen bei den Studierenden in den Lehramtsstudiengängen Musik sichtbar werden. So stellt er sowohl für die Studierenden mit klarem Berufsziel Lehramt Musik als auch für diejenigen, die sich diesbezüglich nicht sicher sind oder im Studium bemerken, dass sie doch nicht in der Schule tätig sein möchten, eine sinnvolle und notwendige Bereicherung dar“, äußert sich Ziegenmeyer zu ihrem Projekt. „Insbesondere Musiklehrkräfte können von Kompetenzen in musikkultureller Arbeit profitieren. Durch die Teilnahme am KulturCampus Wuppertal werden sie für individuelle Handlungsspielräume in der musikkulturellen Projektarbeit sensibilisiert, die sie dann aufgrund ihres erworbenen Wissens und Erfahrungen später im Berufsleben wirkungsvoll und nachhaltig nutzen können (z.B. in Form von Kooperationen mit Künstlern, Anschaffung von Instrumentarium). Zum anderen ergibt sich durch die im KulturCampus angestrebte Vernetzung der Akteure am Kulturleben eine Win-Win-Win Situation, bei der sowohl die Universität, die Stadt Wuppertal als auch das Arbeitsfeld der musikkulturellen Bildung profitieren.“
Schließlich fügt Ziegenmeyer hinzu, dass die entstehenden Kulturangebote auf der Website des KulturCampus Wuppertal sichtbar gemacht werden, damit diese in Zukunft auch als eine Art Datenbank fungieren kann.
Hospizkonzerte und ein musikpädagogisches Umweltprojekt
Zwei Projekte haben sich bereits erstaunlich entwickelt. Zum einen ist es das Projekt „Zusammen Weinen – Zusammen Lachen e.V.“ von Student Jens Reddmann, das sich in musikalischer Form um Kinder kümmert, die in einer Hospizeinrichtung leben. Hierbei bietet Reddmann sogenannte „Wohnzimmerkonzerte“ an, an denen alle entsprechend ihren Möglichkeiten teilhaben können. Das Projekt ist bereits auf so große Resonanz gestoßen, dass weitere Einrichtungen angefragt haben und darüber hinaus auch Workshops in Planung sind.
In einem anderen Projekt hat die Studentin Lea Sander in einer Schule auf der Insel Pulau Mabul in Malaysia ein einmonatiges Musikprojekt durchgeführt. Hierbei ging es darum, die Kinder durch die kreative Auseinandersetzung mit Musik über die Folgen der Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll aufzuklären. Entstanden sind in dem einmonatigen Aufenthalt auf der Insel nicht nur viele Lieder, sondern auch eine 30-minütige Show, die am Ende im Dorf aufgeführt wurde. Darüber hinaus hat Lea Sander beschlossen, dass sie nach Abschluss ihres Bachelors nach Malaysia zurückgehen wird, um im Rahmen der Non-Profit-Organisation T.R.Y. Volunteerarbeit an den Schulen zu betreuen.
Und als nächstes?
Die unermüdliche Musikpädagogin und Komponistin verfolgt schon ein nächstes Projekt, dass durch die Lektüre eines Artikels über das Komponieren als therapeutisches Mittel bei Häftlingen angeregt wurde. „Man könnte beispielsweise Häftlingen im Jugendstrafvollzug eine Möglichkeit bieten, sich mit ihrer Vergangenheit kreativ auseinandersetzen, also im positiven Sinne als Alternative zu Gewalt. Es muss in das Bewusstsein dringen, dass dort Menschen sind, die auch eine Geschichte haben. Schon immer entluden sich schlimme Situationen und Konflikte in Musik. Ich glaube, dass durch die kreative Auseinandersetzung mit Musik und dem eigenen Leben sehr viel Gutes heraussprudeln kann, wenn man es herausschreien darf und sagen kann: Das habe ich erlebt.“
Uwe Blass (Gespräch vom 09.08.2017)
Im Rahmen der Ü-55-Forschertage spricht Dr. Ziegenmeyer gemeinsam mit Björn Krüger, Lea I. Sander und Jens Reddmann am Donnerstag, 14. September um 13.15 Uhr, Kurs 15, zum Thema: KulturCampus Wuppertal – Dein Kulturprojekt: Planen – Entwerfen - Durchführen. Kostenfreie Anmeldung unter www.wuppertal-live.de
Annette Ziegenmeyer, 1996–2001 Studium der „Schulmusik“ an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und an der Leibniz Universität Hannover (Zweitfach: Französisch), 2001-2002 Aufbaustudium „Musikerziehung“ und 2002-2003 Aufbaustudium „Künstlerische Ausbildung“ an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, 2003-2005 Paris-Aufenthalt im Rahmen eines Künstler- und Komponistenstipendiums an der Cité Internationale des Arts (Ministerium für Wissenschaft und Kultur Niedersachsen), anschließende Lehrtätigkeit am Conservatoire municipal de musique de Malakoff (Paris), 2006-2008 Referendariat, 2008-2012 Promotionsstudium in Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, 2008-2015 Tätigkeit als Studienrätin an der Stormarnschule in Ahrensburg, 2013-2015 Abordnung als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Musikdidaktik /-pädagogik an die Europa-Universität Flensburg, seit 2015 Akademische Rätin an der Bergischen Universität Wuppertal.
Der KulturCampus Wuppertal ist unter folgendem Link zu finden: http://kulturcampus-wuppertal.de/