
Mit dem Handwerk in eine digitale Zukunft
Dr.-Ing. André Pomp / Technologien und Management der Digitalen Transformation (TMDT) Foto: UniService Third Mission
Mit dem Handwerk in eine digitale Zukunft
Der Ingenieur André Pomp über das Wuppertaler Hochschulprojekt „Internet of Things für das Handwerk (IoT4H)“
„Auch im Handwerk lässt sich die Digitalisierung effizient und praxisnah gestalten“, meint der Wuppertaler Ingenieur Dr. André Pomp vom Lehrstuhl für Technologien und Management der Digitalen Transformation (TMDT) an der Bergischen Universität. Seit drei Jahren betreut er das Projekt „Internet of Things für das Handwerk“ kurz IoT4H genannt und sagt: „Wir identifizieren gezielte Anwendungsfälle für das Internet der Dinge im Handwerk und setzen diese mit Handwerksbetrieben in der Praxis um – und das Potential ist groß.“
Ein bekanntes Anwendungsgebiet von IoT: Das Smart Home
Der Oberbegriff für technische Verfahren und Systeme zur Gebäudeautomation in Wohnräumen und -häusern, in deren Mittelpunkt eine Erhöhung von Wohn- und Lebensqualität, Sicherheit und effizienter Energienutzung steht, ist Smart Home. „Wenn man sein Licht beispielsweise über das Handy steuern möchte, ist das ein typischer Anwendungsfall, die sogenannte smarte Glühbirne“, erklärt Pomp. Auch die automatisierte Heizungssteuerung zu Hause könne über kleine, smarte Thermostate und einen Raumsensor nach Bedarf geschaltet werden. Auf diese Weise kann die Heizung bereits einen Raum vorwärmen, wenn die Person noch auf dem Nachhauseweg ist. „Wir haben heute selbst intelligente Kühlschränke und Spülmaschinen. Also in vielen Alltagsgegenständen, die man mit Sensorik und Aktorik (Aktoren sind Antriebselemente, die elektrische Signale und Strom in mechanische Bewegung oder Licht transformieren, Anm. d. Red.) irgendwie intelligent machen kann, da finden wir das Internet of Things.“

Digitalisierung im Handwerk, Bild freepik
Handwerksbetrieben fehlt oft das Fachpersonal für IT
Das Handwerk nutzt schon zahlreiche digitale Werkzeuge und baut seine digitalen Möglichkeiten stetig aus. Dennoch steht das Handwerk vor der spannenden Herausforderung, den Weg in die digitale Zukunft weiter zu gestalten und seine Chancen voll auszuschöpfen. Viele der Betriebe seien jedoch sehr klein, erläutert der Ingenieur und sagt: „Ein Großteil der Betriebe hat nicht mehr als fünf Mitarbeitende und das führt natürlich dazu, dass sie kein Fachpersonal für IT einstellen können.“ Zudem sei die Digitalisierung überhaupt kein großer Schwerpunkt innerhalb der handwerklichen Ausbildung, so dass sowohl die Auszubildenden, als auch die aktiv Beschäftigten mit der Technologie im Alltag wenig in Kontakt kämen. „Wir haben viele große Hersteller, die versuchen, IoT-Lösungen für das Handwerk auf den Markt zu bringen. Allerdings haben die jedoch immer den Nachteil, dass die Handwerksbetriebe ihre Daten kostenlos an diese Unternehmen weitergeben und nachher evtl. für den auf ihren Daten entwickelten Dienst wieder zahlen müssen.“ Die Daten für sich selber zu sammeln und frei zu nutzen, das finde sich im Handwerk einfach nicht. An dieser Stelle kann das Projekt IoT4H eine Chance bieten, indem es Kompetenzen vermittelt, das Handwerk auf die mannigfachen digitalen Möglichkeiten aufmerksam macht und erstmalig eine Plattform bietet, deren erfasste Daten allein den Handwerkerinnen und Handwerkern gehören.
IoT4H – Das Digitalportal für das Handwerk
Im Rahmen des BMBF-Programms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ erarbeitet der Lehrstuhl für Technologien und Management der Digitalen Transformation seit 2022 innerhalb eines dreijährigen Projekts Möglichkeiten, Handwerksbetriebe dazu zu befähigen, die Potenziale des Internet of Things für sich zu erkunden und gewinnbringend einzusetzen. Dazu Pomp: „Unser Credo lautet: Aus dem Handwerk – für das Handwerk, denn, wenn man etwas für das Handwerk entwickeln möchte, muss man natürlich das Handwerk auch entsprechend mitnehmen.“ Daher suchten André Pomp und seine Teamkollegen Alexander Paulus und Andreas Burgdorf zur Unterstützung große Partner aus dem Handwerk und fanden sie in der Kreishandwerkerschaft Rhein-Erft sowie im Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk. „Dann haben wir versucht, für das Projekt entsprechende Betriebe in NRW zu begeistern, d.h. Betriebe, die mit uns zusammen sozusagen unterschiedlichste eigene Problemstellungen innerhalb dieses Forschungsprojektes erforschen“, erklärt Pomp das weitere Vorgehen. „Das sind Betriebe aus dem Denkmalschutz, aus dem Bereich des Hoch- und Tiefbaus sowie des Heizungsbaus, natürlich auch Dachdecker und ein Elektrobetrieb. Darüber hinaus versuchen wir auch mit ganz vielen anderen Handwerkerinnen und Handwerkern über sogenannte Hackathons (ein Hackathons ist eine kurzzeitige Soft- und Hardwareentwicklungsveranstaltung, für die Menschen zusammenkommen, um bestimmte Probleme des echten Lebens in einem fairen Wettstreit zu lösen, Anm. d. Red.) bzw. digitale Werkstätten entsprechend in Kontakt zu kommen, um weiteres Wissen zu sammeln, was man eigentlich im Handwerk mit IoT machen kann. Dazu hat man ca. 24 Stunden Zeit. Es kommen Mitarbeitende aus Handwerksbetrieben mit einer Problemstellung und wir versuchen mit denen, das in diesem Zeitrahmen prototypisch umzusetzen.“
Im Rahmen des Projektes wurden bereits mehrere IoT-basierte Anwendungsfälle und Prototypen für das Handwerk realisiert. So ist z. B. eine Regenrinne entstanden, die sich mit einem Sensor ausgestattet, meldet, wenn die Dachrinne verstopft ist. Auch Prototypen zur Feuchtigkeitserkennung im Estrich und Mauerwerk sowie Anwendungen zum Werkzeug-Tracking sind bereits umgesetzt worden.
Neben der Umsetzung der Prototypen, wird im Projekt IoT4H ein Portal für die Handwerksbetriebe geschaffen, mit welchem diese ihre Anwendungsfälle erarbeiten können. Das IoT4H-Portal besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Das Portal selber ist eine Wissensdatenbank. Darin werden IoT-Anwendungsfälle dokumentiert, die im Laufe des Projektes identifiziert wurden. „Dort setzen wir teilweise auch Bauanleitungen ein, die man zu Hause oder im Betrieb entsprechend auch selber nachbauen kann, mit dem Hinweis, welches Equipment dazu zusätzlich gekauft werden muss und informieren, welchen Kundinnen und Kunden man das im Geschäftsfall evtl. auch verkaufen kann, oder wie man das auch im eigenen Betrieb zur Prozessoptimierung einsetzen kann“, sagt Pomp. Auf der anderen Seite fungiert die IoT4H-Plattform als Datenplattform. Handwerksbetriebe erhalten dort die Möglichkeit, die gekauften Lösungen mit der Plattform zu verknüpfen, selber Daten zu sammeln und zu visualisieren und ihre Anwendungsfälle sehr einfach entsprechend umzusetzen. Pomp nennt ein Beispiel: „Wenn ein Handwerksbetrieb seinen Kunden eine Überwachung der Heizungsanlage anbieten möchte, dann können im IoT4H Portal passende Anbieter für Sensorik und Informationen zur Kommunikation gefunden werden. Die gesammelten Daten können später in der IoT4H Plattform aufgearbeitet und visualisiert werden – ein großer Vorteil für den Betrieb, der so mehrere Betriebsstätten komfortabel gleichzeitig beobachten kann.“

Estrich: Sensoren im Estrich schlagen Alarm bei feuchtem Boden, Foto: UniService Third Mission
Bürokratische Hürden benachteiligen kleine Betriebe an Projektbeteiligung
„Handwerksbetriebe für das Projekt zu gewinnen war initial gar nicht schwer“, sagt Pomp, „die Kreishandwerkerschaft hat da relativ schnell sieben Betriebe für uns gefunden, die wirklich Lust hatten, mitzumachen.“ Viel schwerer war es dann aber, die Handwerksbetriebe im Projekt zu halten, da sich der Beginn des Projektes durch Corona und die Flutkatastrophe fast zwei Jahre verzögerte. Einige Betriebe schieden dadurch aus, dass sich die Auftrags- und Mitarbeiterlage in dieser Zeit komplett geändert hatte. Aber noch ein anderes deutsches Problem machte sich bemerkbar. „Die bürokratischen Hürden für kleine Betriebe innerhalb der Förderlandschaft Deutschland sind sehr hoch. Ein Handwerksbetrieb mit fünf Personen hat die gleichen Hürden wie ein Großunternehmen. Daher kann man kleinere Betriebe oft nur schwer bei der Stange halten. Gerade die kleinen geförderten Betriebe haben wir daher während des Projekts auch leider verloren.“

Kluge Regenrinne, Sensoren melden Staunässe, Foto: UniService Third Mission
Projektwerbung auf Fachmessen
Das Team um André Pomp wirbt emsig für sein Projekt und nimmt auch regelmäßig an Fachmessen teil. „Wir waren letztes Jahr auf der Messe ´Zukunft Handwerk` und auf der ´Digitalbau` und da war das Interesse sehr groß. Viele Betriebe möchten die Datenplattform testen“, sagt der Ingenieur, „die Handwerkskammern und die Kreishandwerkerschaften beraten auch dementsprechend ihre Betriebe.“ Im Sommer dieses Jahrs endet die Laufzeit des Projektes und Pomp resümiert: „Die wichtigste Erkenntnis, die wir gewonnen haben ist, dass Digitalisierung im Handwerk bisher, gerade im IoT-Bereich, noch sehr wenig zu finden ist.“ Das Potential sei jedoch sehr hoch, denn man habe insgesamt über 150 Anwendungsfälle über die unterschiedlichsten Gewerke identifizieren können, in denen man potentiell IoT-Anwendungen verwenden könnte. „“Wir sollten in Deutschland aus Fehlern lernen. In der Forschung sind wir exzellent, aber wir verpassen die Chancen unsere Forschung in die Anwendung zu bringen. IoT, aber auch KI, sind hier nur zwei Beispiele von vielen. Das möchten wir in IoT4H anders machen“, sagt Pomp. Aus diesem Grund haben die Mitarbeiter des Projekts nicht nur das Ziel gesetzt, einen Folgeantrag zu stellen, um das Projekt in der Transferphase weiterhin wissenschaftlich zu begleiten. Gleichzeitig wurde die Crafting Systems GmbH gegründet, die die langfristige technische Umsetzung übernimmt und somit eine enge Verzahnung zwischen wissenschaftlicher Forschung und praktischer Anwendung sicherstellt. „Das IoT4H Portal selber hingegen soll natürlich vom Handwerk getragen werden. Wir suchen nach Handwerksorganisationen, die Lust haben, dieses Projekt auch weiter umzusetzen. Die Kreishandwerkerschaften Rhein-Erft und Aachen sind schon dabei. Die Handwerkskammern in Düsseldorf, Dortmund und Köln unterstützen uns ebenfalls.“
Weitere Informationen für Handwerksbetriebe zum Projekt unter https://iot4h.de/ oder direkt an André Pomp pomp[at]uni-wuppertal.de
Uwe Blass
Dr.-Ing. André Pomp arbeitet als Leiter des Forschungsbereichs "Semantic Systems Engineering" am Lehrstuhl für Technologien und Management der Digitalen Transformation (TMDT) der Fakultät für Elektrotechnik, Informationstechnik und Medientechnik an der Bergischen Universität.