Nachlese: OER Week Luzern 2025 und die Frage nach unserer Offenheitskompetenz

18.03.2025|11:16 Uhr|Marcus Sigismund

Und wieder einmal ist sie erfolgreich abgeschlossen, die jährliche OER Week der Luzerner Hochschulen und der ZHB Luzern. Warum dies in einem Wuppertaler Blog Erwähnung finden soll?

Sicherlich nicht, weil die Vorträge, die von Cinzia Gabellini und ihrem Team einmal mehr perfekt organisiert wurden, einen guten Überblick über den gegenwärtigen Stand und die aktuellen Entwicklungen in Sachen Open Educational Resources boten. Einen solchen dürfte man bei den meisten OER-Events in der gutvernetzten OER-Community der sog. DACH-Länder erhalten. Vielmehr bewies dieses Event einmal mehr, dass die OER-Bewegung international nach wie vor höchst vital und das Anliegen von Open Education wichtiger denn je ist – m.E. starke Argumente, sich mit OER zu beschäftigen, auch wenn Komposita mit „KI“ derzeit den hochschuldidaktischen Diskurs dominieren.  Die Gesamtheit der Impulse zeigte auch auf, dass es den einen hochschul- resp. bildungspolitischen Weg hin zu einer offenen Bildung im Allgemeinen und zu OER im Speziellen nicht gibt, sondern die verschiedenen nationalen Wege ganz unterschiedlich ausfallen können. Dass dabei die Schweiz und vor allem Österreich einen sehr erfolgreichen Weg zu gehen scheinen, lässt aufhorchen und darf als Grund auch für Wuppertaler Lehrende (und Lernende) angeführt werden, als OER-Schaffende (oder OER-Rezipierende) die Möglichkeiten anderer Bundesländer oder der internationalen Nachbarn zu eruieren.  

Einen Vortrag der diesjährigen Luzerner Vortragsreihe möchte ich an dieser Stelle aber etwas genauer thematisieren, weil er einen bislang wenig beachteten Aspekt von OER betonend hervorhob. Denn das Thema OER beschränkt sich nicht auf die Erstellung von frei lizensierten Lehr- und Lernmaterialien, sondern umfasst die grundsätzliche Auseinandersetzung mit einer offenen Bildungspraxis – und zwar auf Seiten von Lehrenden wie auch von Lernenden. Letzteres wird bislang gerne übersehen, ist aber umso bedeutender, wenn eine Hochschule Multiplikatoren ausbildet, wie es zum Beispiel in den zahlreichen Lehramtsstudiengängen der BUW der Fall ist.

In seinem Vortrag „Offenheitskompetenzen als Grundlage für Open Education: Chancen und Umsetzung“ forderte Dr. Ronny Röwert vom Digital Learning Campus Schleswig-Holstein und Mitglied des Bündnisses Freie Bildung daher eine offene Bildungspraxis und Bildungshaltung bei Lehrenden wie Lernenden. Eine gut umgesetzte, offenere Bildungspraxis könne der zentrale Treiber für eine zeitgemäße Bildung in einer digital geprägten Gesellschaft sein. Jedoch sei dies kein Automatismus. Notwendig sei vielmehr nicht nur eine grundsätzlich offene, sondern auch reflektierte Haltung und Praxis der Lehrenden im ersten Schritt und der Lernenden im zweiten Schritt. Notwendig seien daher bei allen Beteiligten Offenheitskompetenzen. Allerdings griffen bisherige Kompetenzrahmen für Lehrende oder Lernende im Kontext der Medienbildung den Aspekt der Offenheit kaum bis gar nicht auf. Um diese Leerstelle zu füllen, hat das Bündnis Freie Bildung unter Beteiligung weiterer engagierter Vertreter*innen der Bildungspraxis ein Modell der Offenheitskompetenzen für Lernende und Lehrende entwickelt, das anschlussfähig an bestehende Kompetenzrahmen aus verschiedenen Bildungsbereichen ist.

Die Offenheitskompetenzen gliedern sich in die drei Kompetenzblöcke Wissen, Skills und Haltung, und zwar sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch der Lernenden. Selbstverständlich sind innerhalb weitere Einzelkompetenzen klar benannt, die hier aber nicht en detail betrachtet werden können (s. hierzu das oben verlinkte Modell). Sowohl bei Lehrende wie auch bei den Lernenden findet sich zusätzlich zu den drei Kompetenzblöcken die Handlung bzw. das Handeln im Sinne einer offenen Bildungspraxis als Ziel gesetzt.

Lehrende…

Lernende…

… nutzen OER für die eigene Lehrtätigkeit.

… arbeiten mit anderen zusammen und erstellen Material gemeinsam.

… machen eigene Materialien für andere nutzbar.

… geben Wissen über frei lizenziertes Material an die eigenen Lernenden weiter.

… gestalten den Zugang zu Bildungsangeboten zugänglich, partizipativ und demokratisch

… nutzen OER für das eigene Lernen.

… machen eigene Medienprodukte für andere nutzbar.

… lernen offen, partizipativ und demokratisch.

 

Wichtiger als dieses Handlungsziel scheint mir aber ein Teil des Weges zu sein, der sich in der innerhalb des Kompetenzrahmens dargestellten Haltung wiederfindet. Denn genauso wie der Lehrende seine Lehre ganz grundsätzlich (selbst-)kritisch reflektieren sollte, so ist auch für die oder den OER-Schaffende*n hilfreich zu reflektieren, wo OER in der eigenen Lehrtätigkeit genutzt werden kann, wie Materialien für andere nutzbar gemacht werden könnten, und wo Möglichkeiten und Grenzen existieren, den Zugang zu Bildungsangeboten zugänglich, partizipativ und demokratisch zu gestalten. Umgekehrt sollten aber auch Lernende reflektieren, ob und wo sie OER für das eigene Lernen nutzen wollen oder ggf. auch eigene Medienprodukte (z.B. remixte OER) für andere nutzbar machen könnten. Sie sollten zudem eine kritische Haltung entwickeln, um offen, partizipativ und demokratisch zu lernen.

Wenn wir dem hochschuldidaktischen Trend folgen und verstärkt auf studierendenorientierte Lehr-/Lernformate setzen wollen, so werden wir nicht umhinkommen, vermehrt Bildungsmaterialien im oben skizzierten Sinne auf Seiten der Lehrenden zu produzieren bzw. auf Seiten der Studierenden reflektiert zu nutzen und weiterzugeben. Dies setzt Offenheitskompetenzen voraus, die sich sowohl Lehrende als auch Lernende zu Eigen machen sollten (sofern noch nicht geschehen). Auf Seiten der Lehrenden kann dies in der Reflexion des eigenen Lehrverständnisses geschehen (und ist möglicherweise eine nette persönliche Übung kurz vor Start des Sommersemesters). Lernende werden jedoch in den seltensten Fällen einen intrinsisch-motivierten Anstoß erhalten, sich hiermit auseinander zu setzen. Diesen Anstoß zu setzen und Studierende zu einem reflexiven Lernverhalten zu verhelfen, könnte vielleicht Ihre kleine zusätzliche Aufgabe in Ihren Veranstaltungen des kommenden Semesters sein.

 

 

P.S.: Wenn Sie sich noch nicht mit OER auseinandergesetzt haben sollten, bietet sich hierfür im Mai die Möglichkeit im Rahmen eines SaPe-Workshops zu rechtlichen Aspekten des e-Learnings/OER . Wenn Sie sich näher mit dem Kompetenzrahmen der Offenheitskompetenzen auseinandersetzen möchten, finden Sie auf der diesbezüglichen Webseite des Bündnis Freie Bildung alle nötigen Materialien.