Neuer Sonderforschungsbereich bewilligt
Wegbereiter für die Zukunft: Wissenschaftler*innen der Bergischen Uni erforschen neuen Ansatz in der mathematischen Modellierung
In dem neuen Wuppertaler Sonderforschungsbereich, den die DFG für zunächst drei Jahre und neun Monate Jahre mit 7,7 Millionen Euro fördert, geht es um „Port-Hamiltonsche Systeme“. Diese gelten als neues Paradigma für eine besonders leistungsstarke mathematische Modellierung von dynamischen – also sich über die Zeit entwickelnden – Systemen. „Mit unserer Forschung leisten wir wertvolle Basisarbeit für die Anwendung dieses Paradigmas: Wir wollen eine solide mathematische Theorie für die fundamentalen Prozesse Port-Hamiltonscher Systeme entwickeln. Damit wird es möglich sein, komplexe Systeme besser zu verstehen und so ihre Eigenschaften auch mit Blick auf Anwendungen präziser zu charakterisieren und vorherzusagen“, fasst Prof. Birgit Jacob zusammen.
Die für das Fach Funktionalanalysis berufene Mathematikerin ist Sprecherin des Verbunds, der allein an der antragstellenden Bergischen Universität mehr als 20 Forschende umfasst. Denn: Um das mathematische Potenzial von Port-Hamiltonschen Systemen voll auszuschöpfen, sind Beiträge aus verschiedenen mathematischen Disziplinen erforderlich. Mit der Bewilligung des Sonderforschungsbereichs der DFG stellt sich das neue Port-Hamiltonian Institute der Bergischen Universität dieser interdisziplinären Herausforderung. Beteiligt sind dabei Vertreter*innen der mathematischen Disziplinen der Funktionalanalysis, der numerischen Analysis, der Stochastik, der Optimierung und des Wissenschaftlichen Rechnens. Vier Wissenschaftler*innen der Universitäten TU Berlin, TU Chemnitz, TU Ilmenau und der Universität Trier verstärken den Sonderforschungsbereich.
„Die Sonderforschungsbereiche der DFG sind eines der wichtigsten Programme zur Forschungsförderung in Deutschland. Die nun ausgesprochene Bewilligung ist ein riesiger Erfolg für die Bergische Universität. Unsere Mathematikerinnen und Mathematiker haben jahrelang hierauf hingearbeitet, sich und ihre Grundlagenforschung in der Weltspitze etabliert und Wuppertal zu einem Zentrum für Port-Hamiltonsche Systeme gemacht. Sie werden diesen Weg in einem herausragenden Forschungsumfeld weiter beschreiten, und wir werden alle noch viel von ihrer Forschung lesen und hören. Das Rektorat gratuliert Professor Jacob und ihrem Team ganz herzlich“, sagt Prof. Dr. Stefan F. Kirsch, Prorektor für Forschung und Digitales an der Bergischen Universität Wuppertal.
Hintergrund: Von Hamiltonsch zu Port-Hamiltonschen Systemen
Der Mathematiker William Rowan Hamilton entwickelte eine Methode, um die Bewegung von Systemen zu beschreiben, die Energie in verschiedenen Formen speichern, wie zum Beispiel ein Pendel, das potenzielle Energie (Höhe) und kinetische Energie (Bewegung) hat. Hamiltonsche Systeme basieren auf Gleichungen, die beschreiben, wie sich diese Energien über die Zeit verändern. Port-Hamiltonsche Systeme erweitern dieses Konzept, indem sie den Energiefluss zwischen verschiedenen Teilen eines Systems berücksichtigen. Das Wort „Port“ bedeutet hier „Anschluss“ oder „Eingang“, denn es geht darum, wie Energie in die Komponenten des Systems hinein- und hinausfließt. Kann man diese Ports für die Anwendung eines mathematischen Modells systematisch identifizieren und beschreiben, wird es möglich, auch im Fall der Interaktion von zwei und mehreren Systemen die Entwicklung über die Zeit besonders genau und unter Einhaltung grundlegender physikalischer Gesetze vorherzusagen und zu steuern.
Klimawandel, künstliche Intelligenz oder die Verbesserung der Lebensqualität in Industrie- und Entwicklungsländern – die Herausforderungen, zu denen die Mathematik einen wertvollen Beitrag leistet, sind vielseitig. So auch mit dem neuen Sonderforschungsbereich. Port-Hamiltonsche Systeme werden in der Mathematik, der Physik und in den Ingenieurwissenschaften verwendet, um besonders komplexe Vorgänge zu beschreiben, zu simulieren und zu steuern. Komplex bedeutet in diesem Fall, dass mehrere, ganz unterschiedliche physikalische Prozesse wie z.B. mechanische, elektrische oder thermodynamische involviert sind. „Unterschiedliche Systeme müssen sich zeitlich stabil entwickeln, auch wenn sie miteinander gekoppelt werden, sodass sie als neues Gesamtsystem einwandfrei funktionieren. Port-Hamiltonsche Systeme liefern hier ein Grundprinzip für das mathematische Verständnis, auf Grundlage dessen dann konkrete Entwicklungen zur Lösung dieser Aufgabe angegangen werden können“, so Prof. Jacob.
Ein Beispiel: In Elektroautos treffen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen physikalischen Phänomenen aufeinander, darunter starke Stromflüsse zwischen Batterie und Motor, elektromagnetische Abstrahlungen beim Aufladeprozess sowie Wärmeeffekte. Dies alles beeinflusst Leistung, Effizienz und Zuverlässigkeit einzelner Bauteile. Port-Hamiltonsche Systeme erlauben, diese Wechselwirkungen grundlegend zu modellieren, zu analysieren und zu simulieren. So schaffen sie die Voraussetzungen, um konkrete, funktionierende und langlebige Komponenten erfolgreich herzustellen.
Auf einen Blick: Ein neuer Sonderforschungsbereich an der Bergischen Universität
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet insgesamt sieben neue Sonderforschungsbereiche (SFB) ein, die ab April 2025 gefördert werden. Am Sonderforschungsbereich Port-Hamiltonsche Systeme beteiligen sich mehr als 20 Wissenschaftler*innen der Bergischen Universität Wuppertal. Sie kooperieren – auf nationaler und internationaler Ebene – mit weiteren Universitäten sowie mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Industriepartnern.