„Vermissen ist eine schöne Form der bleibenden Erinnerung“
Bereuen Sie den Schritt ein wenig, nicht doch noch eine Amtsperiode drangehängt zu haben?
Nein! Ich empfinde die Wahl des Zeitpunktes für das Ausscheiden auch im Rückblick als die richtige Entscheidung, kein Bereuen also. Das letzte Jahr im neuen Rektorat hat auch mich noch einmal sehr gefordert, aber es war zugleich ein erlebnisreiches und sehr schönes Berufsjahr. Daher kamen hin und wieder Momente des Bedauerns, ausgerechnet in einer solchen Phase aufzuhören. Aber was könnte schöner sein, als aus einer besonders guten Phase der Berufstätigkeit in den Ruhestand zu gehen?
Wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken: Auf was sind Sie besonders stolz?
Wenn es eines gibt, das mich zufrieden und stolz macht, dann ist es die deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Bergischen Universität. Sie war seit ihrer Gründung finanziell nie auf Rosen gebettet und hat dies über die ersten vier Jahrzehnte ihres Bestehens nicht überwinden können. Im fünften Jahrzehnt ist es uns endlich gelungen, die Finanzierung der Universität auf eine deutlich solidere Grundlage zu stellen. Und das war auch das Jahrzehnt, in dem die Bergische Universität als Standort für Studium und Forschung quantitativ und qualitativ enorm zugelegt hat. Dass ich zu dieser Aufwärtsentwicklung beitragen konnte, sehe ich im Rückblick als das Wichtigste meiner Wuppertaler Jahre.
Was haben Sie an der Bergischen Uni und an Ihrer Arbeit besonders geschätzt?
Die Bergische Universität ist in den allermeisten Dingen eine Universität wie alle anderen, also mit Stärken und Schwächen. Was sie aber auszeichnet und was ich an ihr besonders schätze, ist die Bereitschaft und die Fähigkeit ihrer Mitglieder zu einem universitären Miteinander in guter Atmosphäre. Sich aufmerksam, hilfsbereit und wertschätzend zu verhalten, dem Gemeinschaftssinn einen hohen Stellenwert einzuräumen, diesen Maximen fühlen sich sicher viele Universitäten und Wissenschaftseinrichtungen verpflichtet. An der Bergischen Universität steht das aber nicht nur auf dem Papier, sondern es ist gelebter Alltag. Sicher, das ist ein weiches Merkmal der Qualität einer Universität, aber ein ungeheuer wirksames Merkmal! Es trägt dazu bei, dass man häufiger zufrieden ist, häufiger motiviert ist, sich häufiger selbst anderen gegenüber freundlich verhält – und aus einer solchen Atmosphäre entstehen auf lange Sicht auch besonders gute Leistungen, alles wichtige Bausteine für eine gute Universität.
Was werden Sie vermissen?
Alles und nichts. So leidenschaftlich ich meinen Beruf ausgeübt habe, so wenig werde ich die mit ihm verbundenen Lasten vermissen. Dass ich den alltäglichen Kontakt zu vielen großartigen Menschen an der Universität vermissen werde, versteht sich. Vermissen ist für mich in dieser Hinsicht ein anderer Ausdruck dafür, dass ich mich mit besonders positivem Gefühl an bestimmte Menschen erinnere. Kein bedauerndes Vermissen also, in dem der Verlust im Vordergrund steht, sondern eine schöne Form der bleibenden Erinnerung.
Was wünschen und raten Sie Ihrer Nachfolgerin?
Ursula Löffler braucht keinen Rat ihres Vorgängers, um eine gute Kanzlerin der Bergischen Universität zu sein. Dass sie, wenn sie mich einmal etwas fragt, bei mir eine offene Tür findet, weiß sie längst und wird davon Gebrauch machen, wenn sie es möchte. Wir kennen uns seit langem und haben uns über mehrere Wochen hinweg eng und freundschaftlich über alles ausgetauscht, was für die Übergabe nötig und hilfreich war. An der Bergischen Universität als Kanzlerin loszulegen, wird ihr leichtfallen, sodass ich ihr einfach nur alles Gute wünsche!
Welche Pläne haben Sie für den Ruhestand?
Erst einmal eine Weile möglichst frei von Plänen zu sein und dann Schritt für Schritt herauszufinden, wie mein neues Leben ohne Beruf funktionieren wird. Die Lust auf dieses Abenteuer will ich mir nicht durch ein Übermaß an Plänen verderben. Was ich tun werde, wird jedenfalls keine ehrenamtliche Fortsetzung meines Berufslebens sein, das steht für mich fest. Aber eben nicht, weil der Beruf so schrecklich war, er war er ja keineswegs, sondern weil ich mich jetzt mal anderen Dingen widmen möchte. Welchen? Mal sehen.
Zur Person
Dr. Roland Kischkel studierte Germanistik und Pädagogik an den Universitäten Paderborn und Bielefeld und promovierte 1991 an der Universität Bielefeld im Bereich der Angewandten Linguistik. Nach seiner Promotion war er zehn Jahre lang Mitarbeiter der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn, zuletzt als Programmdirektor in der Gruppe Sonderforschungsbereiche. 2001 wurde er Kanzler der Universität Dortmund, später Technische Universität Dortmund. 2009 wurde er zum Kanzler der Bergischen Universität Wuppertal gewählt. Roland Kischkel war u. a. von 2016 bis 2020 Sprecher der nordrhein-westfälischen Universitätskanzler*innen, von 2018 bis zu seinem Ausscheiden war er stellvertretender Bundessprecher der Kanzler*innen der deutschen Universitäten.