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Forschungsprojekt

„ÜberLeben im Risikoumfeld“: Wie leben Suchtkranke am Kölner Neumarkt?

26.09.2024|15:02 Uhr

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt haben Wissenschaftler*innen vom Fachgebiet Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit der Bergischen Universität mit Kolleg*innen der Technischen Hochschule Nürnberg das Leben von Drogenabhängigen in offenen Drogenszenen untersucht. Ihr Forschungsumfeld: der Kölner Neumarkt. Dort statteten die Forschenden ansässige Suchtkranke mit Einwegkameras aus, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Umgebung durch ihre eigenen Augen festzuhalten. Die Ergebnisse zeichnen ein realistisches Bild der Kölner Drogenszene.

„Der war noch nicht beim Verbandersatz. Also, der hat sich noch nicht bandagieren lassen. […] Hat ein paar Mal daneben gedrückt und [die Wunde] geht nicht mehr zu. Ist ja klar, wegen dem Kokain, was da drin ist. Ist ja nur Dreck drin, ne? Sagt er: ‚Ich kriege das auch nie wieder zu‘.‘“

Ziel des Projekts ist es, die Perspektiven der Konsument*innen auf ihre eigene Lebensrealität und die besonderen Herausforderungen dieser extremen Lebenssituation zu dokumentieren.

Den Betroffenen eine Stimme geben

Zehn Kameras gaben die Forschenden an zwei Tagen Mitte Juli aus, sieben davon bekamen sie zurück. Im Anschluss führten sie Gespräche mit den Abhängigen, die von ihrem Alltag in der Kölner Innenstadt berichteten und die Fotografien durch persönliche Eindrücke und Geschichten ergänzten (siehe Zitate unter den Fotos). „Mit diesem Ansatz wollten wir aufzeigen, wie die suchtkranken Menschen am Neumarkt ihre Lebenswelt in diesen oft als ‚Angsträumen' wahrgenommenen Bereichen erleben“, erklärt Dr. Tim Lukas von der Universität Wuppertal, der die Studie zusammen mit Prof. Dr. Daniel Deimel und Dr. Bo Tackenberg durchführte.

Die Bilder und Aussagen der Betroffenen verdeutlichen die schwierigen Lebensbedingungen, denen sie täglich ausgesetzt sind. Sie zeigen die Folgen des Drogenkonsums, das Leben auf der Straße, sowie die Bedrohung durch Gewalt und die Konfrontation mit dem eigenen Gesundheitszustand. Gleichzeitig geben sie Einblicke in die Strategien der Abhängigen, um in diesem Umfeld zu (über-)leben.

„Da habe ich jetzt noch so ein Symbolfoto von so einer Rattenfalle gemacht. […] Also dadurch auch, dass hier so viele Obdachlose sind. Es ist sehr, sehr schwer wirklich hier rauszukommen. Und dadurch entsteht natürlich auch unter den Abhängigen viel Wut allgemein mit der Situation. Ja, durch diese Obdachlosigkeit. Also sich wirklich so mit dieser Demütigung abfinden zu müssen, sind die Leute teilweise natürlich nicht unbedingt gut drauf.“

Unterstützen statt Wegschauen

„Die Ergebnisse zeigen: Die offene Drogenszene ist ein Risikoumfeld, das wir als einen komplexen sozialen Raum verstehen müssen, der vielfältige Unterstützungsmaßnahmen erfordert“, so Dr. Lukas weiter.

Die Wissenschaftler*innen hoffen, mit den Ergebnissen des Projekts nicht nur einen Beitrag zur Suchtforschung zu leisten, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung dieser Problematik zu schärfen und Handlungsempfehlungen für die Prävention und Intervention zu entwickeln. So brauche es etwa einen flächendeckenden Zugang zu sicheren Konsumbedingungen, wie sie Drogenkonsumräume bieten.

Das Projekt „ÜberLeben im Risikoumfeld“ nimmt eine Idee auf, die das Team der Bergischen Universität im Rahmen des BMBF-Projekts „Sicherheit im Bahnhofsviertel (SiBa)“ bereits schon einmal in Düsseldorf umgesetzt hat. Dort haben die Wissenschaftler*innen wohnungslose Menschen gebeten, ihre Angsträume und Wohlfühl-Orte zu fotografieren. Weitere Infos zum Projekt unter https://www.buk.uni-wuppertal.de/de/forschung/abgeschlossene-projekte/siba/

Urbane Sicherheit

Beide oben genannten Forschungsprojekte gehören zum Forschungsfeld „Urbane Sicherheit“. Es umfasst ein breites Spektrum potenzieller Gefährdungen und Schutzmaßnahmen, die vom Erhalt der öffentlichen Ordnung über die Prävention von Kriminalitätsrisiken bis hin zum Schutz vor terroristischen Angriffen reichen. Aus einer raumbezogenen Perspektive widmen sich die Forschenden in verschiedenen Forschungsprojekten und praxisorientierten Zusammenhängen den Strategien und Wirkungen der städtebaulichen Kriminalprävention in urbanen Räumen und der Wahrnehmung von sicherheitsrelevanten Risiken durch unterschiedliche soziale Gruppen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der systematischen Beurteilung von Gerechtigkeitsansprüchen in der Verteilung von Sicherheit und der (partizipativen) Entwicklung von Handlungsempfehlungen für die Sicherheitsgewährleistung in spezifischen räumlichen Umgebungen.

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