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Populäre Krimi-Reihe

Tatort-Kommissar*innen: Forschungsprojekt eröffnet spannende Einblicke in die Figurenentwicklung

09.09.2024|13:00 Uhr

Wie hat sich die Gestaltung und Darstellung der Tatort-Ermittler*innen von Beginn der Serie 1970 bis zum 50-jährigen Jubiläum im Jahr 2020 verändert? Und was hat das mit gesellschaftlichem Wandel zu tun? Diesen Fragen gehen Forschende der Bergischen Universität Wuppertal derzeit gemeinsam mit Kolleg*innen aus Marburg nach. Und weisen nun erste Ergebnisse vor.

Ausschnitt aus dem Projektplakat: Seit über 50 Jahren ermitteln Kommissar*innen im erfolgreichen TV-Format „Tatort“. Nun werden sie von der Wissenschaft genau unter die Lupe genommen. // Grafik Martin Henkelmann

Im Projekt „Tatort-Kommissar*innen im Wandel“ deuten die Wissenschaftler*innen die Figuren als „Symptome und Symbole eines gesellschaftlichen wie politischen Wandels und vor allem als symbolisch verdichtete Repräsentant*innen des Staates“. Um dieser Annahme auf den Grund zu gehen, betrachten sie den Tatort – mit mehr als 1.000 in Deutschland produzierten Folgen eine der wichtigsten Institutionen des deutschen Fernsehens – aus medienwissenschaftlicher und soziologischer Perspektive.

Was haben Sie sich dabei gedacht?

An der Wuppertaler Universität konzentrieren sich die Forschenden unter der Leitung von Soziologieprofessorin Ludgera Vogt darauf, den Entwicklungs- und Gestaltungsprozess der Figuren zu rekonstruieren. Dabei erfassen sie die Perspektive der Produzierenden: Was sind die Ideen, was soll bei den Zuschauenden bewirkt werden und wo liegen Probleme? „Der Start in die Datenerhebung ist im ersten Projektjahr bereits hervorragend gelungen“, berichtet Ludgera Vogt. In bislang 24 qualitativen Interviews haben Akteur*innen aus den Bereichen Redaktion, Drehbuch, Regie, Produktion und Darstellung ausführlich von ihren Tätigkeiten erzählt. „Sie eröffnen teils atemberaubende Einblicke in den Maschinenraum des noch immer erfolgreichsten fiktionalen Unterhaltungsformats in Deutschland“, fährt Vogt fort.

Die Interviews zeigten, dass sich der Weg zu einer neuen Tatort-Reihe wie auch zu einer einzelnen Folge als ein komplexer Aushandlungsprozess zwischen vielen Akteur*innen gestaltet – ein Prozess, der Unwägbarkeiten berge. So könne es vorkommen, dass ein schon abgesegnetes Drehbuch ohne Rücksprache mit dem*der Autor*in im Produktionsprozess noch so abgeändert wird, dass die „Botschaft“ des Films deutlich verändert wird. „Oder, dass Schauspieler*innen unmittelbar vor Drehbeginn einer neuen Reihe mitteilen, dass sie das entwickelte Figurenkonzept nun doch nicht so spielen wollen und mit Androhung des Ausstiegs gravierende Änderungen einfordern“, gibt Vogt Einblicke in erste Erkenntnisse. 

Verschiedene Perspektiven zusammenführen

Später ist geplant, neben der Produktionsperspektive auch die Wahrnehmung von Zuschauenden zu erfassen. Das geschieht in Gruppendiskussionen. Bereits jetzt werden die Wuppertaler Ergebnisse fortlaufend verflochten mit medienwissenschaftlichen Analysen zahlreicher Tatort-Folgen der Universität Marburg. Dort untersuchen die Expert*innen anhand einer Auswahl mehrerer hundert Folgen, wie die Figuren konstruiert sind: etwa wie sie ihre beruflichen und privaten Rollen interpretieren, wie sie sozial konturiert sind – beispielsweise in Bezug auf Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung und Milieuzugehörigkeit –, und ob es in ihrer Rolle Hinweise auf den gesellschaftlichen Kontext gibt, in dem sie entstanden sind.

Das Gesamtziel besteht darin, in wissenschaftlichen Publikationen eine Typologie der deutschen Tatort-Kommissar*innen vorzulegen und so ein umfassendes Bild ihrer Entwicklung über die Jahrzehnte hinweg zu zeichnen. „Bei so einem erfolgreichen TV-Format lohnt sich das genaue Hinschauen – es erreicht schließlich seit Jahrzehnten zahlreiche Menschen: Da ist es wichtig zu wissen, welche Bilder – auch des Staates – hierbei vermittelt werden, und spannend zu sehen, ob Wirkung und ursprüngliche Überlegungen auf Seite der Machenden zusammenpassen“, schließt Vogt.

Das Forschungsprojekt wird mit rund 650.000 Euro durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

 

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