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IceCube entdeckt hochenergetische Neutrinos aus der Milchstraße

30.06.2023|08:51 Uhr

Der Anblick der Milchstraße im sichtbaren Licht fasziniert die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Mit dem IceCube Neutrino-Observatorium am Südpol konnte ein internationales Forschungsteam, an dem auch die Bergische Universität Wuppertal beteiligt ist, nun zum ersten Mal ein Bild der Milchstraße mit Hilfe von Neutrinos erstellen – sehr durchdringenden Elementarteilchen, die Zeugnis von extrem energiereichen Vorgängen ablegen. Ihre Ergebnisse präsentieren die Wissenschaftler*innen nun im Fachmagazin Science.

Eine künstlerische Komposition der Milchstraße, gesehen durch eine Neutrinolinse (blau). // Foto IceCube Collaboration/U.S. National Science Foundation (Lily Le & Shawn Johnson)/ESO (S. Brunier)

Damit liefert IceCube den einzigartigen Beleg, dass Hadronen – also Protonen und Atomkerne – tatsächlich auch in unserer Galaxis zu hohen Energien beschleunigt werden. Dies war zuvor schon von IceCube bei sogenannten aktiven galaktischen Kernen beobachtet worden, die verglichen mit anderen Galaxien ein Vielfaches an Strahlung und Teilchen in die Umgebung abgeben, aber Milliarden von Lichtjahren weit entfernt sind.

Neutrinos stammen nicht aus den Sternen der Milchstraße selbst

Die Energie der nun von IceCube nachgewiesenen Neutrinos ist allerdings Millionen bis Milliarden mal größer als die Energie des stetigen Stroms der Teilchen, der uns aus Kernfusionsreaktionen im Kern unserer Sonne erreicht. Die nun nachgewiesenen Neutrinos stammen also ganz offensichtlich nicht aus den Sternen der Milchstraße selbst, sondern entstehen durch die sogenannte kosmische Strahlung, die den Raum zwischen den Sternen durchdringt. Die Hadronen der kosmischen Strahlung werden in der Milchstraße also auf Energien beschleunigt, die einige Größenordnungen höher sind als beim größten vom Menschen gebauten Hadronen-Beschleuniger, dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN. Die Neutrinos entstehen bei der Wechselwirkung der Hadronen zum Beispiel mit dem Gas und Staub im Raum zwischen den Sternen.

Von der Amundsen-Scott-Südpolstation aus betrieben, umfasst der IceCube Detektor einen Kubikkilometer antarktisches Eis, in das über 5.000 lichtempfindliche Sensoren eingebracht wurden. Zwar durchdringen fast alle Neutrinos die Materie um uns herum fast ungehindert, aber ab und an wird dann doch ein solches kosmisches Neutrino nach seiner langen Reise durch das Universum im Eis aufgehalten. Dann können geladene Elementarteilchen, zum Beispiel Elektronen, entstehen, die in weiterer Folge kurze Lichtblitze im hochtransparenten Eis auslösen, und so das Neutrino und seine ungefähre Herkunft verraten.

Verständnis der Herkunft der galaktischen kosmischen Strahlung

Der in der Studie verwendete Datensatz umfasste ca. 60.000 Neutrinos aus zehn Jahren IceCube-Beobachtungen. Das sind rund 30-mal so viele Ereignisse wie die Auswahl, die in einer früheren Analyse herangezogen wurde. Der nächste Schritt besteht nun darin, einzelne Neutrino-Quellen innerhalb der Milchstraße direkt zu identifizieren. Diese und andere Fragen werden in bereits geplanten Nachfolge-Analysen von der IceCube Kollaboration untersucht. Schon jetzt ist aber klar, dass der erstmalige Nachweis hochenergetischer Neutrinos aus der Milchstraße ein völlig neues Fenster zum Studium der energiereichsten Teilchen in unserer kosmischen Umgebung öffnet, und einen bedeutenden Schritt hin zum Verständnis der Herkunft der galaktischen kosmischen Strahlung darstellt.

Dieser bedeutende Schritt für die Astronomie und Astroteilchenphysik wurde erst durch die Zusammenarbeit von Forschenden aus vielen verschiedenen Instituten möglich. In Deutschland umfasst diese Kooperation zehn Universitäten und die Forschungszentren DESY und KIT und wird von Dr. Klaus Helbing, Professor für Astroteilchenphysik an der Universität Wuppertal koordiniert. Der weitere Ausbau des IceCube-Detektors und die wissenschaftliche Auswertung der gewonnenen Daten werden maßgeblich durch das BMBF (Förderlinie ErUM-Pro) und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.

„Der Nachweis von Neutrinos aus der Milchstraße ist ein Beispiel für die Anwendung des maschinellen Lernens in der Grundlagenforschung“, sagt Prof. Dr. Klaus Helbing. „Speziell in Wuppertal nutzen wir diese Methoden auch bei der Suche mit IceCube nach Teilchen aus dem Urknall.“

Den gesamten Artikel finden Sie hier.

Videobotschaft von Dr. Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung

Kontakt:
Prof. Dr. Klaus Helbing
Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften
Telefon 0202/439-2829
E-Mail helbing[at]uni-wuppertal.de

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