Kooperationsprojekt
Digital dabei sein: Wie Stadtplanung bürger*innennah stattfinden kann
Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit stehen Kommunen vor großen Herausforderungen: Ob moderne Quartiersplanung mit kurzen und autofreien Wegen, die Entwicklung von Sozialräumen oder die Mehrfachnutzung von Flächen – es gibt zahlreiche Ansätze, die Veränderung für die vor Ort lebenden und arbeitenden Menschen bedeuten. Wie Städte ihre Bürger*innen bei den dafür notwendigen Schritten am besten mitnehmen können, erforscht derzeit das Projekt „KoodiKo“. „Eine gute Stadtplanung führt dazu, dass Menschen sich in ihrer Umgebung wohlfühlen. Aber sie geschieht auch immer im Spannungsverhältnis zwischen öffentlichen und privaten Belangen. Umso wichtiger ist es, so viele Bürger*innen wie möglich in die Vorhaben einzubinden“, erklärt Projektleiterin Prof. Dr. Nicola Fricke, die an der Bergischen Universität Inhaberin des Lehrstuhls für Soziotechnische Systeme ist. Denn, wie entsprechende Untersuchungen zeigen, akzeptieren Bürger*innen kommunale Planungsvorhaben besonders gut, wenn sie im Vorfeld einbezogen worden sind. Guter Wille der Stadtverwaltung allein reicht dafür aber nicht aus. Als Psychologin ist Nicola Fricke vor allem daran interessiert, innovative Kommunikations- und Interaktionsstrategien zu finden, die die Teilhabe verschiedener Zielgruppen unterstützen können.
Bedürfnisse abfragen
Daher stellen sie und ihr Projektteam die Bürger*innen selbst in den Fokus: „Wir wollen erfahren, welche Anforderungen sie an einen kooperativen Planungsprozess haben. Wie würden sie sich wünschen, eingebunden zu werden?“ Die Herausforderung liegt auf der Hand: In einer Stadt leben ganz unterschiedliche Menschen und Gruppen mit verschiedenen Bedürfnissen. Die gesuchten Lösungen, sollen auch Menschen einbeziehen, die sich bisher von solchen Prozessen nicht angesprochen gefühlt haben oder über bisherige Kanäle gar nicht erst erreicht werden.
Also fragen die Wissenschaftler*innen konkret nach: Geplant ist, dass Bürger*innen der Modellstädte Wuppertal und Baden-Baden zu Interviews und Workshops eingeladen werden und die für die Forschenden relevanten Fragen diskutieren. Dabei soll auch deutlich werden, auf welchem Kenntnisstand bestimmte Zielgruppen abgeholt werden müssen. Gibt es bestimmte Interessen, die abhängig sind von der jeweiligen Phase eines Stadtentwicklungsprojekts? Welche Anreize gibt es, um unterschiedliche Ansprüche zu bedienen? Wie lässt sich die Kommunikation unter den Bürger*innen fördern? Zudem schauen die Projektverantwortlichen in andere Städte, in denen es bereits gute Beispiele für gelungene Beteiligungsprozesse gibt.
Partizipation via App
Ziel ist es, möglichst viele Gruppen einer Stadtgesellschaft zu erreichen. Als Ergebnis soll den Bürger*innen eine digitale Anwendung zur Verfügung stehen, die basierend auf den gesammelten Erkenntnissen zur Interaktion einlädt. Einzelne, im Zuge des Forschungsprojekts noch zu entwickelnde Funktionen einer solchen Anwendung sollen später auch mit den Nutzenden getestet werden. „Partizipation via App treibt natürlich auch die gewünschte Digitalisierung von Kommunen voran und bedient die Kommunikationsgewohnheiten unserer Gesellschaft. Vorstellbar ist zum Beispiel eine 3D-Visualisierung der Stadt, mit der die Nutzenden auch ein bisschen spielen können, sich Veränderungen dadurch auch viel besser vorstellen und gleichzeitig für sie relevante Infos abrufen können“, so Fricke. Ein in dieser Form realistischeres Abbild einer Stadt sei für viele deutlich zugänglicher als Stadt- und Baupläne auf Papier, die im Rathaus ausliegen.
Dementsprechend arbeiten die Wuppertaler Wissenschaftler*innen im Projekt „Kooperative digitale Kommune durch innovative Kommunikations- und Interaktionsstrategien – Koodiko“ nicht nur mit den Verwaltungen der Städte Wuppertal und Baden-Baden zusammen, sondern ebenso mit der Viadukt GmbH, dem Institut für Digitale Ethik der Hochschule der Medien Stuttgart und dem Institut für IT- und Datenschutzrecht der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg. Das Vorhaben wird mit rund 1,5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und soll über drei Jahre laufen.
Mehr Hintergrund zum Lehrstuhl für Soziotechnische Systeme
Lehrstuhlinhaberin Nicola Fricke studierte Psychologie mit den Schwerpunkten Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie sowie Ingenieurpsychologie. Im Rahmen ihrer Forschung untersucht sie, wie Menschen mit Technik interagieren und berücksichtigt dabei insbesondere psychologische Aspekte. Denn: Während die Technik immer ausgereifter ist, hochkomplexe Anlagen gebaut und intelligente Systeme geschaffen werden, werden im Umgang mit ihnen an vielen Stellen noch zu wenig die Charakteristiken und Anforderungen des „Faktors“ Mensch berücksichtigt.
Welche Anwendungsinformationen und Sicherheitsanweisungen versteht der Mensch, welche nimmt er wahr und welche benötigt er, um sich in seiner (technischen) Umgebung tatsächlich sicher zu fühlen? Welche Herausforderungen für den Gebrauch von Technik ergeben sich aus dem Menschen als Anwender*in? Indem sie Antworten auf diese Fragen findet, erweitert Fricke auch die Lehre der Wuppertaler Sicherheitstechnik und des Maschinenbaus um das Kernthema Sicherheitspsychologie. Die Studierenden erfahren, mit welchen Forschungsmethoden im Fach Psychologie wissenschaftlich fundiert gearbeitet wird, und lernen durch sie, den Faktor Mensch von Beginn an in die verschiedenartigsten Facetten der Sicherheitstechnik und des Maschinenbaus einzubeziehen.
Weitere Interessensbereiche des Lehrstuhls liegen vor dem Hintergrund voranschreitender Automatisierung und Autonomisierung im Bereich der Mobilität. Dabei soll zukünftig vor allem die klimafreundliche Fortbewegung eine Rolle spielen und die Frage, welche psychologischen Ansätze relevant sind, um die Mobilität nachhaltig und attraktiv zu gestalten.