Vorgestellt
Auf Augenhöhe mit Wirtschaft und Gesellschaft

Christina Semke leitet den UniService Third Mission. // Foto Friederike von Heyden
Hallo Frau Semke, schön, Sie bei uns begrüßen zu können. Ohne zu viel vorweg zu nehmen: Zu ihren Aufgaben gehört es, die Uni zu vernetzen. Wenn Sie die BUW mit drei Worten beschreiben müssen – welche sind das?
Seit meinem Start hier nehme ich sie als vielfältig, nahbar und lösungsorientiert wahr. Das sind keine so schlechten Voraussetzungen für meine Aufgaben.
Womit wir im Thema sind. Wie erklären Sie Personen, die mit dem Hochschulsystem nicht vertraut sind, was Sie an Ihrer neuen Wirkungsstätte genau machen? Third Mission, oder auch Transfer, sind Begriffe, mit denen nicht alle gleich etwas anfangen können.
Als Third Mission wird neben Forschung und Lehre die dritte Säule einer Universität bezeichnet, in der wir an einer ertragreichen Vernetzung der Uni mit Wirtschaft und Gesellschaft arbeiten und somit unserer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen.
Ich finde ein Bild recht passend, um unsere Arbeit zu beschreiben: Wir kommen raus aus dem Elfenbeinturm in die Gärten. Wir sind zugänglich, nicht abgeschottet und das Wichtigste: auf Augenhöhe. Die Großwetterlage betrifft uns genauso wie unsere Partner. Über das Wetter reden, lässt Bäume nicht schneller wachsen; daher pflanzen wir zusammen, was gerade gedeihen kann. Und ernten auch zusammen. Das ist meine Idealvorstellung von Third Mission.
Transfer ist ein Teil der Third Mission – wir transferieren Lösungen und Wissen aus der Uni nach außen. Das ist wunderbar, aber Third Mission darf noch weiter gehen: dialogisch sein, kooperativ, kollaborativ. Dieses Mehr wollen wir unterstreichen. Deshalb war uns auch die Umbenennung von UniService Transfer hin zu UniService Third Mission ein Anliegen. Das Außen wird darin in meiner Wahrnehmung deutlich aufgewertet: ist nicht nur Empfänger, sondern gibt Impulse in die Universität. Und wirkt im besten Fall auch positiv in Forschung und Lehre hinein. Mein Ziel ist eine echte Partnerschaft von Wissenschaft und Gesellschaft. Und dazu zähle ich gleichbedeutend Unternehmerschaft, Institutionen und Bürger*innen.
Viele unserer 4.000 Mitarbeitenden arbeiten so schon heute. Unsere konkrete Aufgabe ist es, hierfür Struktur, Sichtbarkeit und Wertschätzung zu schaffen, Impulse zu geben und mit einer Servicestelle zu unterstützen.
Nachdem Sie sich zunächst einen Überblick verschafft haben: Konnten Sie und Ihr Team schon Themen festlegen, die Ihnen in naher Zukunft besonders wichtig sind?
Wir haben für uns acht Themenfelder identifiziert, die wir strukturiert angehen: Kooperationsmanagement, Career Service, Gründungen, Patente, Stipendien, Alumni-Netzwerk, Wissenschaftskommunikation und Bildungspartizipation. In diesen Feldern haben wir als Bergische Uni schon einiges an Erfahrung. Neu ist, dass wir beginnen, die Querverbindungen zwischen diesen Bereichen offenzulegen und sozusagen nutzer*innenfreundlich zu gestalten. Wenn ich eingangs sagte, die Uni ist vielfältig, dann kann das neben Segen auch Fluch sein.
Wir sind für die Außenwelt nicht immer intuitiv, es ist nicht selten, dass ein Partner zahlreiche Ansprechpersonen bei uns an der Uni hat. Zur Beantwortung von Forschungsfragen macht das Sinn, in den zentralen Einrichtungen dürfen wir aber abgestimmter sein. Daher bringen wir alle Bereiche zusammen, die auf zentraler Ebene Wirtschaftskontakte haben. Das bündelt Wissen sowie Ressourcen und schafft Vertrauen in unseren Partnerschaften. Im Marketing sagt man „Ein Gesicht zum Kunden“ – dem wollen wir uns annähern.

„Es gibt so viel, was wir erzählen können.“ – Mit ihren Forschungsprojekten gestaltet die Uni auch Region und Gesellschaft mit. // Foto Peter Gwiazda
Hochschulen gelten als Zentren des deutschen Wissenschafts- und Innovationssystems; sie tragen mit Forschung und Transfer zur Wettbewerbsfähigkeit des Landes bei. Wie können Universitäten dieser Erwartung und Verantwortung dauerhaft gerecht werden? Vor welche Herausforderungen sehen Sie sich und Ihr Team in der täglichen und strategischen Arbeit gestellt?
Die generelle Herausforderung von Third Mission ist es, diese Haltung der gesellschaftlichen Verantwortung nicht nur in Festansprachen zu verankern, sondern ins Tun zu kommen. So wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, kann eine Stabsstelle nicht die Verantwortung einer Universität gegenüber der Gesellschaft schultern. Die gute Nachricht: Es passiert schon so viel.
Das große Pfund der Bergischen Universität ist, dass die Forschenden und Lehrenden heute schon viel zur Verflechtung beitragen, zahlreiche Vertreter*innen der Bergischen Uni ganz selbstverständlich im Austausch mit Wirtschaft und Gesellschaft stehen. Wir als Stabsstelle sehen uns dafür als Schaltzentrale. Wir schaffen einen Rahmen und die nötigen Verbindungen. Wir übernehmen die Aufgaben, die die Fakultäten nicht alleine stemmen sollten, bieten die eine oder andere Bühne und verkürzen Wege. Als UniService, nicht als Wasserkopf.
Eine andere, aber nicht ganz unwesentliche Herausforderung: Die Bezeichnung Third Mission bleibt sperrig. Das klingt mehr nach Star Trek als nach Wirtschaftsverbündeter. Aber richtig gute Sachen kommen häufig mit komplizierten Bezeichnungen: so wie Resilienz, Ambiguitätstoleranz und Sauvignon Blanc.
Sehen Sie ungenutzte Potenziale im Bereich Third Mission, die Sie besonders spannend finden?
Das wunderbare an der Third Mission ist, dass hier ganz viel Weiterentwicklung möglich ist. Wir bearbeiten die klassischen Felder; aber, so wie wir schon lange über den Student Lifecycle sprechen, sollten wir genauso beginnen, in Partner Lifecycles zu denken.
Gleichzeitig sind Universitäten gewohnt, in einer Logik von innen nach außen zu denken: Kann das, was wir ohnehin schon tun, draußen einen Mehrwert schaffen? Diese Blickrichtung umzudrehen, macht ganz viel auf. Also: Welche Impulse von außen bringen uns als Universität an ganz verschiedenen Stellen weiter? Das heißt aber auch, deutlich früher in öffentlichen Diskursen anzudocken, agil in Forschung und Lehre auf das Außen zu reagieren. Third Mission erlaubt Universitäten ein neues Selbstverständnis. Diesen Prozess zu begleiten, finde ich unheimlich spannend.
Sie haben Betriebswirtschaftslehre studiert und waren unter anderem im Marketing für Babypflege, Körperpflege und nicht verschreibungspflichtige Medikamente bei Johnson & Johnson tätig. Welche Erfahrungen, die Sie an vorherigen Stationen gesammelt haben, helfen Ihnen bei der Gestaltung Ihres aktuellen Bereichs an der BUW?
Ich durfte in sehr unterschiedliche Branchen agieren. Das trainiert ein Denken in Zielgruppen und eine gewisse berufsmäßige Empathie. So wie in der Babypflege Handelspartner, Eltern und Hebammen ganz unterschiedliche Ansprüche an eine Creme haben, so stellen Absolvierende, Bergische Unternehmen und Institutionen unterschiedliche Erwartungen an uns. Diesen kann man nicht ordentlich begegnen, wenn sie einem nicht bewusst sind.
Dazu ticken Konzernstrukturen ähnlich wie Universitäten: große Komplexe, leistungsstark und zuweilen etwas unübersichtlich. Nicht Kontrollsysteme halten sie am Leben, sondern ein verbindendes Leitbild, eine gewisse Offenheit und die Menschen, die in ihnen wirken. Menschen, die wiederum sich und andere für die Sache begeistern können und die Vielfalt schätzen, die große Organisationen in sich tragen.
Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie auf die nächsten 12 Monate blicken?
Auf spannende Impulse, die unsere Forschenden in ihren Fachgebieten setzen und für den regionalen Kontext geben, auf Studierende, die uns zum Beispiel im Rahmen des Deutschland-Stipendiums mit ihren Leistungen und ihrem ehrenamtlichen Engagement begeistern, auf Freund*innen und Alumni, die „ihre“ Bergische Uni aktiv mitgestalten. Und natürlich auf die Arbeit mit meinem großartigen Team: Expert*innen in ihren Bereichen, die die Universität mit Leidenschaft nach außen sichtbar und nahbar machen.
Mich motiviert das, was ich mit dieser besonderen Blickrichtung zu sehen bekomme: Es gibt so viel, was wir erzählen können. In meinen ersten Monaten habe ich Projekte kennengelernt, die konkret die Lebensqualität der Menschen verbessern wie „Queering the city“ für eine geschlechtergerechte und queersensible Stadtgestaltung; die die Region prägen und wertvolle Partnerschaften bilden wie „bergisch.kompetenz“ für zirkuläres Wirtschaften in der Metallindustrie; die den Fachkräfte-Nachwuchs an Schulen auf dem Radar haben und für MINT-Fächer begeistern wie unser Bergisches Schul-Technikum und die, wie mit der Kunsthalle Barmen, Gegenwartskunst in die Innenstadt bringen. Und damit habe ich nur einen so geringen Bruchteil genannt. Da schöpfe ich an dieser Uni wirklich aus dem Vollen.
Vielen Dank für das Gespräch! Wir sind gespannt auf die Entwicklungen im UniService Third Mission und wünschen Ihnen alles Gute.