Afrika braucht ein neues, länderspezifisches Energiekonzept
Bislang, so die Forscher*innen, hat der globale Norden die Diskussionen über afrikanische Energiefragen dominiert und den Kontinent als homogenes Kollektiv mit ähnlichem Energiebedarf und Net-Zero-Pfad betrachtet. Durch die Untersuchung der Energiesysteme von vier afrikanischen Ländern – Äthiopien, Südafrika, Mosambik und Burkina Faso – zeigen die Autor*innen auf, wie falsch diese Annahme ist. Eine weitere Analyse aller 54 afrikanischen Länder macht deutlich, dass jedes Land unterschiedliche Ausgangspunkte, Lösungen und Unwägbarkeiten für die Nutzung erneuerbarer oder fossiler Energieträger zur Erreichung seiner Entwicklungsziele hat und daher einen anderen Weg zum Erfolg beschreiten wird.
Saubere Energiesysteme brauchen länderspezifische Betrachtung
„Die heutige globale Debatte ist durch wenig hilfreiche Verallgemeinerungen gekennzeichnet“, sagt Dr. Sokona. „Unsere Forschung zeigt, dass die internationale Gemeinschaft, um Entwicklungs- und Klimaziele in Afrika zu erreichen, Nuancen und länderspezifische Analysen berücksichtigen und unterstützen muss. Die Wege zu sauberen Energiesystemen hängen stark davon ab, wie realisierbar sie in den einzelnen afrikanischen Ländern sind.“
Die Untersuchung des Energiebedarfs von vier Beispielländern zeigt, dass die Bedürfnisse in Afrika sehr unterschiedlich sind. In Burkina Faso beispielsweise, wo der Zugang zu Elektrizität in ländlichen Gebieten weniger als 5 Prozent beträgt, können hybride PV-Diesel-Systeme einen kosteneffizienten Weg zur Förderung der Entwicklung bieten. Andererseits ist Äthiopien mit einem Anteil von 90 Prozent Wasserkraft und billigen Solar- und Windressourcen bereits ein grünes Wachstumszentrum.
Der Druck auf afrikanische Länder wächst
Das Papier fällt in eine Zeit intensiver Debatten über die Nutzung fossiler und erneuerbarer Energieträger durch afrikanische Länder. Führende afrikanische Institute und Wissenschaftler*innen haben den Druck westlicher Politiker*innen auf afrikanische Länder, ihre fossilen Brennstoffreserven nicht zu nutzen, als „Heuchelei“ bezeichnet. In der Zwischenzeit verstärken westliche Länder, allen voran die deutsche Bundesregierung, ihre Bemühungen, neue fossile Gasvorhaben in Afrika zu erschließen um so die energetische Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Wie mit den damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Risiken für die betroffenen afrikanischen Länder umgegangen werden soll, bleibt dabei meist unklar. Die Autor*innen weisen darauf hin, dass erneuerbare Energien in Afrika und auf der ganzen Welt enorme Vorteile bieten, darunter Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen, eine bessere Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel und eine bessere öffentliche Gesundheit. Erdgasinvestitionen hingegen bergen für die afrikanischen Länder ein erhebliches Risiko künftiger „stranded assets“, wobei das Ausmaß ihrer Auswirkungen und mögliche Abhilfestrategien kaum erforscht sind.
Jetzige Entscheidungen prägen Jahrzehnte
„Da mehrere afrikanische Länder, darunter Mosambik, kurz davor stehen, langfristige Erdgasverpflichtungen einzugehen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Staats- und Regierungschefs über die Informationen verfügen, die sie benötigen, um fundierte Entscheidungen über wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele zu treffen“, sagt Dr. Philipp Trotter von der Bergischen Universität Wuppertal. Das sei derzeit nicht der Fall. Entscheidungen, die diese Länder jetzt treffen, haben Auswirkungen auf die nächsten Jahrzehnte.
Studie fordert globale Unterstützung für Entscheider*innen
„Länderspezifische, faktengestützte Energieoptionen und Wege zur Umsetzung werden jetzt in ganz Afrika dringend benötigt“, sagt Yacob Mulugetta. „Dies erfordert nationale Führung sowie internationale Finanzierung, Forschungsunterstützung und maßgeschneiderte Finanzierungen und Investitionen. Wir hoffen, dass diese Studie die afrikanischen Regierungen dazu ermutigen wird, mehr Verantwortung für ihre Energieentscheidungen zu übernehmen und ihr Energiesystem langfristig zu betrachten, um sicherzustellen, dass ihre Energiezukunft in ihren Händen liegt und den Bedürfnissen ihrer Bürger*innen dient.“
Kontakt:
Jun.-Prof. Dr. Philipp Trotter
Sustainability Management
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E-Mail trotter[at]wiwi.uni-wuppertal.de