Erster künstlicher Sternenhimmel in Jena
Die Masterstudentin Sabrina Engert über das erste Projektionsplanetarium der Firma Carl-Zeiss
Im Sommer 1923 erstrahlte der erste künstliche Sternenhimmel in Jena. Zehn Jahre vergingen von der Idee bis zum Bau. Dort hatten Mechaniker, Ingenieure, Astronomen und Physiker an einem besonderen Gerät gearbeitet, mit dem der Fixsternhimmel gezeigt werden konnte. Was war denn die bahnbrechende Idee dabei?
Engert: Zunächst einmal zu den Umständen, weshalb man diese Arbeit begonnen hatte: Es gab ja schon länger mechanische Planetarien, aber die konnten eben nur eingeschränkt die Dimensionen des Sonnensystems vermitteln. Selbst mechanische Planetarien, die einen ganzen Raum füllten, konnten nur schwer einen naturgetreuen Eindruck des Universums vermitteln. Dazu ein Beispiel: Wenn die Erde so groß wie ein Bonbon wäre und wir maßstabgetreu die Entfernung zur Sonne darstellen wollten, dann befände sich die Sonne in ungefähr 180 Metern Entfernung. Nehmen wir den gleichen Maßstab dann für den äußersten Planeten, Neptun, der in ca. 4.687.000.000 Kilometern Entfernung zur Erde steht, wäre Neptun ca. 5,7 Kilometer entfernt. Das bedeutet das 31,88-fache von der Entfernung, die Sonne und Erde zueinander haben und zeigt damit die Schwierigkeit, ein maßstabgetreues Modell allein vom Sonnensystem darzustellen. Also gab Oskar von Miller, Leiter des Deutschen Museums in München, die Idee damals bei Carl-Zeiss, der Firma, die sich vor allem mit der Optik beschäftigt hat, in Auftrag. Er hatte schon die Idee eines Projektionsplanetariums, um eben diese Grenzen zu überwinden, brauchte aber Hilfe. Im Jahr 1919 wurde deshalb die Idee von Dr. Walter Bauersfeld, Mitglied der Geschäftsleitung von Carl-Zeiss, vorgetragen. Dazu sollten kleine Projektoren die Sterne und Planeten an eine kugelförmige Wand projizieren, um den Himmel sozusagen „nachzuahmen“.
Am 21.10.1923 wurde zur Vorbereitung des ersten deutschen Planetariums in München mit einer nie dagewesenen Projektion der erste künstliche Sternenhimmel vor Ort vorgeführt. Damit begann die Erfolgsgeschichte des Projektionsplanetariums, welches 1925 seinen Regelbetrieb aufnahm. Was kann man denn in so einer Projektion z.B. zeigen?
Engert: Man könnte fast sagen, dass die Erfolgsgeschichte schon im Frühjahr 1923 begann, als eine erste Vorführung der neuen Technik in einer provisorischen Kuppel auf dem Firmendach von Carl-Zeiss in Jena stattfand. Die Nachricht über die neue Sensation verbreitete sich schnell. So entschloss sich auch der damalige Barmer Oberbürgermeister Dr. Paul Hartmann dazu, sich selbst vor Ort ein Bild zu machen. Er nannte es bei seiner Rede zur Eröffnung des Barmer Planetariums, ein „Wunderwerk deutscher Technik“.
Die Projektionen heute können Unglaubliches zeigen. Virtuell können Besucher*innen eines Planetariums durch ganze Galaxien reisen und unsere Milchstraße verlassen. Sie können verschiedene Sternbilder sehen und jeden Planeten unseres Sonnensystems bequem von einem Stuhl aus bestaunen. Aber auch die ersten Projektionsapparate zeigten erstaunliche Bilder von Sternen, der Milchstraße und verschiedenen Sternenbildern.
Die Firma Zeiss aus Jena erhielt den Auftrag zum Bau des Kopernikanischen Planetariums in München. Manchmal spricht man aber auch von ptolemäischen Planetarien. Worin besteht der Unterschied?
Engert: Im Wesentlichen markieren diese Bezeichnungen, von welchem „Standpunkt“ aus das Weltall betrachtet wird. Kopernikanische Planetarien verdanken ihren Namen der Idee des heliozentrischen Weltbildes, also der Idee, dass nicht die Erde im Mittelpunkt des Universums steht, sondern die Sonne. Betrete ich ein kopernikanisches Planetarium, sehe ich genau das, nämlich die Sonne und die Planeten in elliptischen Bahnen um sie herum. Ein riesiges Kopernikanisches Planetarium gibt es im Deutschen Museum in München. Da sehe ich die Sonne im Mittelpunkt und alle Planeten kreisen darum. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass ein ptolemäisches Planetarium die Erde im Zentrum hat. Da geht es wieder um den Standpunkt, von dem ich das betrachte. Sitze oder liege ich allerdings in einem Stuhl und schaue von meinem Standpunkt aus nach oben auf die Kuppel, dann sehe ich das Universum sozusagen von der Erde aus. Es ist ganz wichtig zu betonen, dass die heutigen optischen Planetarien zwar als ptolemäisch bezeichnet werden, weil wir sozusagen von der Erde aus alles sehen, aber optische Planetarien folgen auf jeden Fall den wissenschaftlichen Standards und damit der heliozentrischen Lehre. Synonyme für die Einteilung in kopernikanisch und ptolemäisch sind also heliozentrisch und geozentrisch.
Wie viele Sterne kann denn so ein Projektor darstellen?
Engert: Das Planetarium in Bochum z. B. verfügt über das Modell Universairum IX und spricht von 9.000 Sternen, die der Projektor auf die Kuppel wirft. Neben den Sternen zeigen die Projektoren aber auch noch die Milchstraße, Nebel, Galaxien, Planeten und usw.
Nach der Vollendung wurde das Gerät 1925 dauerhaft im Deutschen Museum in München als Modell I montiert. Mittlerweile ist man bei Modell IX angekommen. Im Zuge der Digitalisierung kann man heute mit Faseroptik den Nachthimmel geradezu perfekt abbilden. Für Wuppertaler ist das Zeiss Planetarium Bochum am ehesten zu erreichen. Waren Sie mal dort?
Engert: Ja, sehr oft. Ich habe sogar manche Shows mehrmals gesehen, einfach, weil es so viel zu lernen gibt und man außerhalb der Milchstraße auch die Ausmaße des Universums sieht. Ein Programm nennt sich z. B. ´Vom Urknall bis zum Menschen` und es ist sehr interessant, weil man visuell sehen kann, wie sich die Menschen entwickelt haben. Es gibt sogar Astronomieshows für Kinder. Zu empfehlen ist u.a. auch das Programm „Faszinierendes Weltall“. Übrigens gibt es auch seit ein paar Jahren das Galileum in Solingen, eine Sternwarte, die jetzt ein Planetarium ist und ein umfangreiches Veranstaltungsangebot bietet.
Uwe Blass
Sabrina Engert arbeitet als Wissenschaftliche Hilfskraft in der Wissenschafts- und Technikgeschichte der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften der Bergischen Universität.