Ausgerechnet Bananen…
Die Musikwissenschaftlerin Emma Derksen über das erfolgreiche Lied mit dem unanständigen Refrain
„Yes! We have no bananas“ ist ein US-amerikanischer Foxtrottschlager von Frank Silver und Irving Cohn, der 1923 mit einem deutschen Text versehen, heute noch sehr bekannt ist. Um welchen deutschen Song handelt es sich dabei und wie unterscheidet er sich vom Original?
Derksen: „Yes! We have no Bananas“, stammt ursprünglich aus der Broadwayrevue ´Make it Snappy` (uraufgeführt 13.04.1922 in New York), wurde aus diesem Zusammenhang herausgelöst und einzeln veröffentlicht, was damals üblich war. 1919 fing die Amerikanisierung in der Weimarer Republik an, alles Amerikanische war en vogue, die Bevölkerung fand es wunderbar. Es war etwas Neues, Fremdes, Aufregendes. Natürlich war das Lied auf Englisch verfasst und es war zu befürchten, dass es in dieser Version nicht den kommerziellen Absatz fand. Deshalb wurden auch viele englischsprachige Lieder übersetzt, nicht unbedingt wortwörtlich, sondern eher frei. Manchmal wurde auch nur die Melodie übernommen und der Text neu gedichtet. „Yes! We have no bananas“ wurde in „Ausgerechnet Bananen“ umgewandelt, die Bananen blieben, aber der Textinhalt ist ganz anders. Der Originaltext handelt von einem griechischen Obsthändler in einer amerikanischen Stadt, der im Kundengespräch niemals das Wort „Nein“ verwendet und daher das Fehlen von Bananen in seinem Sortiment stets mit der Phrase „Yes! We have no bananas“! kommentiert. In der deutschen Version, die von Fritz Löhner-Beda stammt, hat dieser sein eigenes Ding daraus gemacht. Er schrieb eine etwas schlüpfrige Geschichte um die Liebeswerbung eines Obsthändlers, der seiner Angebeteten nicht mit den gewünschten Bananen dienen kann. Löhner-Bedas Version ist etwas obszön geworden, was den Leuten sehr gut gefallen hat. Die Bananenmetaphorik in diesem Song ist ja sehr offensichtlich. Der Journalist Hans Siemsen bezeichnete diese Art von Schlager als „Lied mit dem unanständigen Refrain“. Die Obsthändlergeschichte hat Löhner-Beda beibehalten, der Verkäufer heißt dann Herr Meier, der auch zum Don Juan wird und der gerne eine Frau von sich überzeugen will. Nur sind es ausgerechnet die Bananen, die er ihr nicht bieten kann. Im Laufe des Liedes wird er dann immer präziser und der erotische Zusammenhang ist offensichtlich. Ein Beispiel dafür wäre: „Endlich bringt er sie / doch zu sich bei Nacht. / Und sie flüstert: / ‚Je vous prie!‘ / Meier sagt: ‚Gemacht!‘ / Aber wie er sich bemüht, / gar nichts ist ihr recht, / weil sie heute nichts Banales, nur Bananes möcht‘.“
Der deutsche Text hat sich bis heute im kollektiven Gedächtnis erhalten und stammt von einem bekannten österreichischen Librettisten Fritz Löhner-Beda, der viele bekannte Lieder schrieb und dessen Leben ein tragisches Ende nahm. Wer war dieser Mann?
Derksen: Fritz Löhner-Beda wurde 1883 in Böhmen geboren, lebte aber in Wien. Ursprünglich hieß er nur Löhner. Er begann schon als Gymnasiast Gedichte zu veröffentlichen, was aber nicht erlaubt war, und deshalb nutzte er das Pseudonym „Beda“, welches er später beibehielt. Er wollte eigentlich Anwalt werden, aber seine Schriften, zu denen u.a. auch Gedichte und Kurzgeschichten zählten, wurden immer erfolgreicher, so dass er seinen Juristenberuf aufgab. Er publizierte in renommierten Zeitschriften und setzte sich mit politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Themen satirisch auseinander. Dazu kamen Chansontexte und Gesangstexte für Operetten. So schrieb er z.B. auch den Text zu Franz Lehárs berühmter Operette „Das Land des Lächelns“. Er hat mit seinen Werken den Nerv der Zeit getroffen. Herausgeber wurden auf ihn aufmerksam und es meldete sich der Bohème-Verlag bei ihm. Das war damals der Verlag für Schlager. Löhner-Beda wurde dort mit einträglicher Gage als Haupttexter engagiert. Er war in Vorständen tätig, war engagiert, hat sich um die Gesellschaft gekümmert, war jüdisch und hat seinen Glauben auch gelebt. Löhner-Beda war eine Person des öffentlichen Lebens und veröffentlichte seine Meinungen zu politischen Themen. Er machte all das, mit dem Nazideutschland nicht einverstanden war. Alles ging gut, bis zum österreichischen Anschluss an das Deutsche Reich 1938. Er musste aus allen Vorständen zurücktreten, durfte nicht mehr arbeiten, emigrierte aber trotz Warnungen seiner Kollegen und Freunde nicht. 1938 kam er zunächst mehrere Monate in das KZ Dachau, wurde dann nach Buchenwald verlegt, wo er hart arbeiten musste und schrieb trotzdem weiter. Er verarbeitete seine Erlebnisse in Gedichten wie „Der Häftling“ und kam 1942 schließlich nach Auschwitz, wo er wieder unter unmenschlichen Bedingungen arbeitete und starb.
Die Refrainzeile „Ausgerechnet Bananen“ hat sich sogar als Redewendung im deutschen Duden etabliert und steht für den Unmut über ein unerwünschtes Ereignis. Wir Deutsche haben viele Schlagertexte mittlerweile in unseren Sprachgebrauch integriert. Wie kommt das?
Derksen: Die Definitionen von Redewendungen sind nicht einheitlich, aber eine mögliche ist: ´Eine weitläufig bekannte, feste Verbindung aus mehreren Wörtern, die oft bildlich oder metaphorisch verwendet werden`. Das passt ja wunderbar zu dem Bild der Bananen. In der populären Musik des 20. Jahrhunderts und damit auch beim Schlager sind die Urheber in der Regel bekannt. Die Nutzung als Redewendung über ein unerwünschtes Ereignis passt auch zur Entstehung des Songs, den Löhner-Beda auf Deutsch umtextete, wobei er die Bananenmetaphorik unbedingt beibehalten sollte, was ihn sehr verzweifeln ließ. So rief er wohl etwas verärgert aus: „Ausgerechnet Bananen!“ und sein Titel war geboren. Schlagertexte gehen in unseren Sprachgebrauch über, wenn sie häufig gespielt, vom Publikum gehört und auch gesungen werden. Die Musik trifft den Nerv der Zeit, muss eine Thematik ansprechen, die die Menschen bewegt, das können auch ganz alltägliche Dinge sein, die aber jeden betreffen. In „Ausgerechnet Bananen“ werden diese beiden Worte zusätzlich ständig wiederholt und bleiben daher schnell im Kopf hängen. Ein anderes Beispiel für einen Songtitel, der sich bis heute im kollektiven Gedächtnis der Deutschen erhalten hat, ist sicherlich „Aber bitte mit Sahne“ von Udo Jürgens.
Das Lied war so erfolgreich, dass es von vielen Tanzkapellen auf Grammophonplatten aufgenommen wurde, auch die Diseuse Claire Waldoff nahm eine Version auf. Fritz Löhner-Beda war selber über den Erfolg des Liedes erschrocken, weshalb er in der Wiener Sonn- und Montagszeitung dieses satirische Gedicht veröffentlichte: „Was hab ich da angestiftet / Schaudernd steh ich vor der Schlucht / Oh ich hab mich selbst vergiftet / An der eigenen Geistesfrucht! / Konnt’ ich wissen, konnt’ ich ahnen / Dass die Welt ins Irre hopst / Ausgerechnet durch Bananen / Dieses harmlos-dumme Obst?“ Wie kann man den Erfolg von einem solchen Schlager erklären?
Derksen: Löhner-Beda erklärt den Erfolg mit der Mischung aus Text und Melodie. Der Text muss eingängig sein und Musik und Rhythmus sind leicht und bleiben im Ohr. Ich habe das selber festgestellt, während ich mich mit diesem Song beschäftigt habe, es funktioniert, und zwar nach wie vor. Heute kommt dann zusätzlich der Interpret dazu, der dann in der Vermarktung eine wichtige Rolle spielt. Löhner-Beda hat mit Blick auf den Markt getextet und wusste, was die Menschen hören wollten. Es kommt hinzu, dass 1923 die ersten großen Bananenimporte nach dem ersten Weltkrieg nach Deutschland kamen. Bananen wurden in dieser Zeit zum Luxusgut und Josephine Baker hat zum Beispiel einen Bananenrock beim Tanzen getragen, die Banane war also in vielerlei Hinsicht sehr beliebt.
Das „Wir“- Gefühl spielt zudem im Schlager auch immer eine wichtige Rolle. Viele Menschen kennen ein Lied, singen es zusammen - z.B. auf Konzerten- und erleben das Lied damit gemeinsam. Und natürlich spielt auch immer der Zufall eine Rolle.
In den 80er Jahren diente der Song auch noch einmal als Erkennungsmelodie in der Maggie- Werbung der Fünfminuten Terrine. Durch assoziative Verknüpfungen werden scheinbar musikalisch vermittelte Bedeutungen auf Produkte und/oder Marken übertragen. Studien gehen davon aus, dass Musik unbewusst Bedeutungen emotional transportiert, die die Konsumenten verstehen. Ist Musik vielleicht sogar die einzige Kunstgattung, die emotionale Botschaften als universelle Sprache übermitteln kann?
Derksen: Universell ist mir zu weit gegriffen. Musik ist immer etwas Kulturelles und nicht jede Kultur ist gleich. Eine Emotion, die auf bestimmte Art und Weise vermittelt wird mit westeuropäischer Musik, kann vielleicht im asiatischen Raum gar nicht verstanden werden, weil dort eine andere Musikkultur gepflegt wird. Jedoch gilt zu bedenken, dass durch die Globalisierung Kulturen einander bekannter werden und somit vielleicht auch die Sprache der Musik universeller wird.
Ich würde sogar sagen, Musik ist auf keinen Fall die einzige Kunstform, die das kann. Denkt man an Tanz oder Bildende Kunst, werden damit auch immer emotionale Botschaften vermittelt. Bei vokaler Musik kommt sicher immer der Vorteil dazu, dass man Sprache noch zusätzlich integrieren kann und somit direkt sagen kann, was gemeint ist. Diese Direktheit hat man vielleicht bei anderen Kunstformen nicht. Vielfach geht es um Emotionen, die jede Kunstform auslöst und die man sprachlich oft nicht fassen kann.
Wichtig ist, dass sie die Menschen erreichen.
Uwe Blass
Emma Derksen, M.Ed. ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Musikpädagogik der Fakultät für Geistes und Kulturwissenschaften der Bergischen Universität.