Der Komponist Henry Mancini
Christoph Spengler / Leiter des Chors und Orchesters der Bergischen Universität
Foto: Sergej Lepke

Der Mann mit dem feinsinnigen Gespür für Melodie, Form, Harmonie, Klang und Rhythmus

Christoph Spengler, Chor- und Orchesterleiter der Bergischen Universität, zum 100. Geburtstag des Komponisten Henry Mancini

Zu seinen bekanntesten Kompositionen gehören die Musik zum Film „Der rosarote Panther“ sowie das Lied „Moon River“ aus dem Film „Frühstück bei Tiffany“. Die Rede ist von Henry Mancini, dessen 100. Geburtstag sich am 9. April jährt. Wer war dieser Musiker?

Spengler: Henry Mancini - eigentlich hieß er Enrico Nicola Mancini - war, wie der Name vielleicht schon vermuten lässt, der Sohn italienischer Einwanderer. In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg zogen seine Eltern aus den Abruzzen nach Amerika. Dort erst lernten sie sich kennen und heirateten. Sein Vater Quinto war Stahlarbeiter, liebte aber die Musik. Daher animierte er seinen einzigen Sohn Henry, das Spiel auf der Piccolo- und Querflöte zu lernen und seine Fertigkeiten zusammen mit ihm in der Folklore-Band „The Sons of Italy“ zu verbessern. Als Teenie lernte Henry dann auch, Klavier zu spielen und besuchte nach dem Highschool-Abschluss zunächst das Carnegie Institute of Technology, wechselte aber noch im selben Jahr an die Juilliard School of Music. In der Aufnahmeprüfung spielte er eine Beethoven-Sonate und eine Improvisation über „Night and Day“ von Cole Porter. Schon hier zeigte sich sein stilistisch breit gefächertes Interesse, das kennzeichnend für sein weiteres künstlerisches Leben war. Sein Studium musste er unterbrechen, als er zum Militärdienst einberufen wurde. 1945 war er an der Befreiung des KZs Mauthausen beteiligt. Nach dem Krieg erweiterte er vor allem seine Kompositions- und Arrangierkenntnisse und studierte Kompositionen von Ernst Krenek und Mario Castelnuovo-Tedesco.

Seine besondere Leidenschaft galt zeitlebens der Big Band, und er war auch Mitglied der neuformierten Glenn-Miller-Band. Wie kam er dazu?

Spengler: Schon mit 12 Jahren interessierte sich der junge Mancini sehr für das Arrangieren von Musik für Big Band und Orchester. Sein Lehrer, Max Adkins, machte ihn mit dem damals aufstrebenden Benny Goodman bekannt, und er schrieb sogar schon ein Arrangement für dessen Band. Ich finde spannend, dass er als besondere Inspiration für seine Arrangements die Komponisten Chopin und Schumann benennt, um zu sehen, „wie das Puzzle aus Form, Metrum, Melodie, Harmonie und Kontrapunkt von diesen früheren Komponisten gelöst wurde“. Während seines Militärdienstes lernte er Musiker der Glenn Miller-Band kennen und spielte auch in der Air Force Band. Über diese Kontakte wurde Mancini nach dem Krieg Pianist und Arrangeur der Glenn Miller-Band, die allerdings zu der Zeit nicht mehr von Miller selbst, sondern von Tex Beneke geleitet wurde, da Glenn Miller im Krieg verschollen war und für tot erklärt wurde.

Ab den 50er Jahren komponierte Mancini mehr und mehr Filmmusik und führte neue Musikstile ins Kino ein. Welche waren das?

Spengler: Mancini forcierte nach dem Krieg seine Studien in Komposition und Arrangement. Dabei beschäftigte er sich sehr intensiv mit den Werken klassischer Komponisten. Ich denke, dass auch das ein Türöffner für ihn war, für Filmemacher interessant zu sein, denn die damalige Filmmusik war dominiert von spätromantisch-orchestraler Musik. Dieses Genre konnte er bedienen, und so schrieb er erste Filmmusiken - meist, ohne in den Filmcredits genannt zu werden - für Streifen wie „Der Schrecken vom Amazonas“ oder „Tarantula“. 1954 erhielt er für seine Arrangements für „Die Glenn Miller-Story“ seine erste Oscar-Nominierung. Seine zunehmende Popularität ermöglichte ihm, neue Musikstile für den Film einzuführen. So war er einer der ersten, der den Jazz als Filmmusik hoffähig machte. Besonders stolz war Mancini auf seine Musik zum Orson-Welles-Film „Im Zeichen des Bösen“, die zu dieser Zeit erste große Filmmusik mit Latin Jazz.

 

Single von Moon River
Foto:gemeinfrei

Man vertraute ihm mit der Zeit immer größere Filmmusikprojekte an und vor allem der „Baby Elephant Walk“ aus dem Film Hatari bleibt bis heute ein Ohrwurm, wenn man ihn einmal gehört hat. Dafür erhielt er auch einen Grammy in der Kategorie bestes Instrumentalarrangement. Was ist das besondere an seinem Stil?

Spengler: Ich glaube, diese Musik ist nicht zuletzt wegen ihrer ungewöhnlichen Instrumentierung und ihrem augenzwinkernden Humor so erfolgreich. Nicht jeder würde bei einem Elefanten an eine in hoher Lage gespielte Klarinette denken, begleitet im Intro von einer Dampforgel, wie man sie damals im Zirkus einsetzte. Es ist dieser ungewöhnliche Sound, durch den sich die Komposition von anderen Bigband-Stücken der Zeit abhebt. Mancini war eben durch und durch ein Arrangeur, der nach neuen, auch ausgefallenen Klängen suchte. Ähnlich ikonisch ist übrigens die Titelmusik zur Krimiserie „Peter Gunn", die ebenfalls von ihm stammt. Und wem könnte das Thema des „Rosaroten Panthers“ aus dem Kopf gehen, wenn man es einmal gehört hat? Ich höre in all diesen Titeln Mancinis genreübergreifendes Interesse und seine meisterhafte Kunst der Instrumentierung heraus. Verblüffend ist dabei oft die Einfachheit und die bewusst reduzierte Besetzung der Stücke, die einzelne Instrumente mit besonderen Spielweisen in den Vordergrund stellt. Das und der melodiöse Einfallsreichtum machen diese Werke so besonders.

Er dirigierte später auch internationale Orchester, wobei er immer auch selber Instrumente spielte. Welche waren das?

Spengler: Mancini galt als ausgezeichneter Dirigent. Da er ein hervorragender Arrangeur war, brachte er ein umfassendes Verständnis der einzelnen Instrumente mit und konnte so seine Orchester sehr effektiv ausbalancieren und auch feinste Details in seinen Kompositionen zum Leben erwecken. Zudem hatte er ein großes Talent, auf der einen Seite eine kooperative und zugängliche Arbeitsatmosphäre zu schaffen, gleichzeitig am Pult aber auch eine natürliche Autorität auszustrahlen. Da er auch ein ausgezeichneter Pianist und Flötist war, spielte er manchmal selbst diese Instrumente bei seinen Dirigaten, was es ihm ermöglichte, den Klang und die Interpretation seiner Musik unmittelbar zu beeinflussen. Dies trug dazu bei, seine Aufführungen für sein Publikum zu einer fesselnden und unvergesslichen Erfahrung zu machen.

In den deutschen Hitparaden war er dann auch noch einmal in den 80er Jahren mit seiner Filmmusik zu der Serie „Die Dornenvögel“, einer Geschichte, um einen verliebten Priester, erfolgreich. Er ist einer der populärsten Vertreter der Easy-Listening- Musik. Wird man ihm damit gerecht?

Spengler: Nein! In der Musikwelt hat der Begriff „Easy Listening“ häufig einen herabwürdigenden Beigeschmack, frei nach dem Motto „Was Vielen gefällt, kann schon deswegen keine Kunst sein“ - was für ein elitärer Unsinn! Mancinis Musik zeichnet sich durch einen so hohen klanglichen Einfallsreichtum und eine unglaubliche Finesse in dem Einsatz jedes einzelnen Instrumentes aus, dass ich nur von wahrer Meisterschaft sprechen kann. Er hatte ein feinsinniges Gespür für Melodie, Form, Harmonie, Klang und Rhythmus. Dass seine Musik so gut ins Ohr geht, zeigt mir allenfalls, wie gut sie gemacht ist. Ich halte Mancini neben Kollegen wie Leroy Anderson für einen der ganz Großen der amerikanischen Komponisten und Arrangeure, und ich bin sicher, dass seine Melodien auch noch in ein- und zweihundert Jahren Menschen begeistern werden.

Uwe Blass

Christoph Spengler studierte Kirchenmusik in Düsseldorf. 2007 übernahm er die Leitung des Unichores, 2011 die Leitung des Orchesters. 2016 verlieh ihm das Rektorat die Ehrenmedaille der Bergischen Universität. 2017 wurde er zum Kirchenmusikdirektor durch die Evangelische Kirche im Rheinland ernannt.

 

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