Totholzprojekt im Staatsforst Burgholz
Prof Dr. Willi Kling / Management chemischer Prozesse in der Industrie und Analytische Chemie
Foto: Sebastian Jarych

„Wir brauchen Bäume, die diesen Klimastress besser aushalten“

Prof. Dr. Hans-Willi Kling und das Totholzprojekt im Staatsforst Burgholz

Die Debatte um den Klimawandel mit all seinen Folgen hat vor allem mit den Fridays for future-Demos von Schüler*innen und Studierenden weltweit an Fahrt aufgenommen. Auch unsere Wälder zeigen in drastischer Weise, dass es längst fünf vor zwölf ist. Das vermehrte Absterben der heimischen Fichte können Spaziergänger in jedem Forst beobachten. „Wenn man auf der Sauerlandlinie Richtung Frankfurt fährt, dann kann man schon aus der Ferne unsere Fichten erkennen“, sagt Prof. Dr. Hans-Willi Kling, der an der Bergischen Universität den Lehrstuhl für Management chemischer Prozesse in der Industrie und Analytische Chemie leitet, „das sind nämlich die braunen Bäume, die einfach schlichtweg abgestorben sind, weil sie mit mehreren Sommern großer Hitze und großer Dürre einfach nicht zurechtgekommen sind. Sie sind letztendlich eingegangen. Auch die heimische Buche ist schon an vielen Orten stark geschädigt und entwickelt sich regional zum zweiten „Sorgenkind“.  Ein Aufforsten scheint daher dringend nötig, doch welche Bäume soll man nun stattdessen pflanzen?
 

 

Totholz im Staatsforst Burgholz

Das Totholzprojekt im Staatsforst Burgholz

Seit ein paar Jahren leitet Kling in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb Wald und Holz das Projekt „Totholz“ im hiesigen Staatsforst Burgholz, dass Erkenntnisse darüber geben soll, wie wir in Zeiten der Klimaveränderung unseren Wald langfristig retten sowie umbauen und regenerieren können.
„Das Burgholz hat für uns eine besondere Bedeutung“, berichtet er, „und zwar gibt es im Burgholz das sogenannte Arboretum. Hier hat man schon vor geraumer Zeit unterschiedliche Baumarten, heimische und nichtheimische Baumarten, angepflanzt.“ Dieser großartige Freilandversuch sei schon vor Jahren von einem umsichtigen Förster angelegt worden und bekomme jetzt, im Zuge des Klimawandels eine wichtige Bedeutung, wenn es darum gehe, nichtheimische Bäume zu integrieren bzw. alternativ zu pflanzen. „Wie verhalten sich diese Bäume, die hier nichtbeheimatet sind, wenn ich sie in heimische Wälder integriere, und wie gehen sie mit dem Klimastress um?“, fragt daher der Wissenschaftler. Prognosen über zukünftige Starkregenereignisse sowie Dürreperioden seien bekannt und die Vegetation müsse sich darauf einstellen. Jedoch seien vor allem Bäume sehr langlebige Pflanzen, die einen entsprechenden Anpassungszyklus hätten. „Bei einem etwas schnelleren Klimawandel kann man sich nicht darauf verlassen, dass sich solche Bäume oder der Wald in dieser Zeit selbst regulieren. Hier sagen dann Fachleute, wir brauchen Bäume, die wir mit anpflanzen können und die diesen Klimastress etwas besser aushalten.“

Nichtheimische Alternativbaumarten

„Im Bereich der Nadelhölzer schaut man sich vornehmlich Gehölze an, die z.B. aus den Vereinigten Staaten kommen“, erklärt der Fachmann, „weil das Klima dort extremer ist. Da gibt es dann z.B. die amerikanische Küstentanne, die einen leichten Orangenduft verströmt. Sie können einen etwas größeren Temperaturbereich abdecken.“ Ein anderer Versuchsbaum sei die lindenblättrige Birke, die aus Gegenden in Japan komme, und ebenfalls klimaresistent gegen starke Temperaturschwankungen sei. Aber das sind nur wenige Beispiele von vielen in Frage kommenden Arten.

Im Wald geht es nicht nur um die Bäume

„Das Problem ist nicht nur der Baum, der auf dem Boden wächst“, sagt Kling. „Der Baum wirft sein Laub oder seine Nadeln ab, Äste oder ganze Stämme fallen herunter und zersetzen sich wieder, der Baum stirbt. Sie bilden dann irgendwann wieder Humus. Und dieser Humus ist dann die Lebensquelle für die nächsten Pflanzen, die hinterherkommen.“ Ein noch nicht zu beurteilendes Problem der nichtheimischen Bäume könnte jedoch der eventuell andere Zersetzungsprozess sein, der wiederum Einfluss auf das Ökosystem hätte, und das untersucht man nun. „Welche Stoffe werden bei der Zersetzung frei? Wie unterscheiden sie sich bei der Zersetzung? Welchen Einfluss hat es auf Mikroorganismen, auf Insekten und auf andere Pflanzen, die da vergesellschaftet leben?“, sind nur einige Fragen, die den relativ großen Wirkungskreis des Projektes ausmachen. „Der Wald hat unterschiedlichste Funktionen“, fährt Kling fort. „Als reiner Wirtschaftswald ist er Lieferant von Holz. Wald schützt aber auch den Boden, er schützt vor Erosion, er ist auch gleichzeitig Naherholungsgebiet. Wald filtriert Luft und macht sie sauber, d.h. wir haben einen ganz weiten Bereich, wo Wald neben dem Wirtschaftsgut Holz für uns auch noch sehr wichtig ist.“ Hier sei zudem noch die Bindung des Klimagases Kohlendioxid zu nennen, da durch Bäume viel des Co2 gebunden und so aus der Atmosphäre genommen wird. Die toten Bäume lasse man heute oft bewusst vor Ort liegen, denn es gebe die sogenannten Destruenten, also Lebewesen und Pflanzen, die sich an diesem toten Holz ansiedelten und es als Lebensgrundlage brauchten. Ein Ausräumen dieses Totholzes würde einen entscheidenden Eingriff in das Ökosystem bedeuten. „Ein Beispiel, dass jeder von uns kennt“, sagt der Forscher, „ist der Specht. Der braucht solche Tothölzer, damit er seine Nisthöhlen bauen kann.“

Nach dem Absterben beginnt die Zersetzung

Die Hauptbestandteile von Holz sind Cellulose, Hemicellulose und Lignin. „Die dienen dann als Nahrung z.B. für Pilze. Wenn der Baum abstirbt, gehen als erste, wenn die Borke z.B. durch Insekten abfällt, Pilze ran, die dieses Material abbauen. Die nutzen die Cellulose und Hemicellulose als Nahrungsquelle. Und dann setzen sie das Holz über eine ganz lange Zeit zu CO2 und zu Wasser um.“ Jeder kenne die weichen, krümeligen Reststämme eines Baumes im Wald, der bei Berührung zerfalle und damit wieder zu Humus werde, dem schwarzen organischen Anteil der Erde. Und auch hier seien die klimatischen Bedingungen entscheidend, weiß Kling. „Wenn es nun feucht oder permanent feucht ist, hält das Holz nicht sehr lange aus, d.h. da merkt man schon innerhalb von 5 bis 7 Jahren einen deutlichen Abbau des Holzes. Die Eiche dagegen ist wesentlich resistenter, die braucht auch schon mal mehr als 10 Jahre. Blätter und die Nadeln werden in ein bis zwei Jahren durch Mikroorganismen und Insekten abgebaut.“ Richtig trockenes Holz biete dagegen keine Angriffsfläche für Pilze und bleibe daher lange standfest. Das sehe man auch an Gebäuden aus Holz, die hielten nahezu ewig.

Zusage für Folgeprojekt liegt vor

Das erste große Totholzprojekt ist nun nach dreieinhalb Jahren Förderung beendet. „Wir sind im Moment in der Phase, dass wir die Nachfolgeprojekte anschieben“, sagt Kling. „Wir haben auch schon einen positiven Vorbescheid bekommen. Das Projekt ist dann auch wieder auf drei bis dreieinhalb Jahre ausgelegt.“ Mit den bisherigen Ergebnissen, die das Projekt vorweisen kann, könnte man dann mit der erneuten Bewilligung die Komplettzerfallzeit eines Baumes nachverfolgen. „Wir haben aus den ersten Projekten im Burgholz Stämme platziert, die wir auch weiter beobachten, so dass man dann über 10 Jahre ein Screening hätte.“ Nur durch solche Langzeitstudien könne man schließlich verlässliche Aussagen machen. Das eigentliche Problem nennt Kling zum Schluss. „So ein Baum kann bis zu mehreren hundert Jahren leben und folglich sind auch die Veränderungsprozesse sehr langsam, so dass man sie kaum beobachten kann. Wenn man dann einen negativen Einfluss feststellt, hat man auch eine dementsprechend lange Bremsspur, bis man das Ganze wieder gedreht hat.“

Jede Entscheidung im Klimawandel hat Auswirkungen auf die nächste Generation. Das wusste die Schriftstellerin Marie von Ebener-Eschenbach bereits im 19. Jahrhundert, als sie schrieb: ´Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht`. Und daran hat sich nichts geändert.

Uwe Blass ( Gespräch vom 16.08.2021)

Prof. Dr. Hans-Willi Kling studierte an der Ruhr Universität Bochum und promovierte an der Bergischen Universität. Er bekleidete verschiedene Positionen in der freien Wirtschaft, er lehrte ab 2003 an die Bergische Universität parallel zu seiner Industrietätigkeit und folgte 2010 dem Ruf auf den Lehrstuhl „Management chemischer Prozesse in der Industrie“. 2012 folgte die Zusammenlegung mit der „Analytischen Chemie“ unter seiner Leitung.

 

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