Erster Einsatz eines Echolots im Schifffahrtsverkehr
Ein Jahr100Wissen-Interview mit dem Radarforscher Prof. Dr. Ullrich Pfeiffer, Lehrstuhl für Hochfrequenzsysteme in der Kommunikationstechnik
Am 14. April 1912 sank die Titanic 300 Seemeilen südöstlich von Neufundland durch die Kollision mit einem Eisberg. Daraufhin schlug der britische Physiker Lewis Fry Richardson vor, Eisberge im Dunkeln oder bei Nebel durch das Echo aufzuspüren, das sie zurückwerfen. 1920 kommt das sogenannte Echolot erstmals zum Einsatz. Wie wurde dieses Gerät entwickelt?
Pfeiffer: Beim Echolot geht es im Prinzip um die Messung einer Laufzeit. D.h., man sendet ein Signal aus, in dem Fall ist es Schall, der sich über das Wasser ausbreitet. Der Schall reflektiert dann an verschiedenen Objekten und kommt mit einer Verzögerung wie ein Bumerang wieder zum Sender zurück. Objekte können wie Eisberge oder Schiffe in Fahrtrichtung liegen aber auch die Entfernung zum Meeresboden ist oft von Interesse. Wenn wir in eine Höhle oder einen Tunnel rein rufen ist das ähnlich, nach einer Verzögerung hören wir unser eigenes Echo. Genau so funktioniert das. Schall kann sich im Wasser sehr gut ausbreiten, trifft er auf einen Eisberg oder den Boden, kommt er nach einer gewissen Zeit zurück. Je weiter weg das Objekt ist, um so später kommt das Echo beim Sender wieder an. Das ist ein Verfahren, was es in der Schifffahrt schon lange gibt, zum Beispiel um Unfälle zu vermeiden.
Was wird mit einem Echolot genau gemessen?
Pfeiffer: Im Prinzip hat man so eine Art Stoppuhr. Man startet mit dem Aussenden des Signals die Stoppuhr und stoppt sie wieder, wenn das Signal zurückkommt. Und die Geschwindigkeit in dem jeweiligen Medium, abhängig von Parametern wie Temperatur, Druck oder Tiefe, ist mehr oder weniger eine bekannte Größe. Man kann dann die Entfernung mit der Formel Geschwindigkeit gleich Weg durch Zeit ausrechnen.
Wie entwickelte sich das Verfahren?
Pfeiffer: Das Prinzip (des Echolots) ist in der Wissenschaft nicht nur bei Schiffen, sondern natürlich auch bei Autos, weit verbreitet. Es werden ja heute auch Distanzen von einem Auto zum davor fahrenden Auto gemessen. Und man möchte bei einer gewissen Entfernung irgendwann mal in die Bremsen gehen. Diese Systeme basieren auf einem Radarverfahren. In dem Fall ist es nicht die Geschwindigkeit von Schall, sondern die Geschwindigkeit einer elektromagnetischen Welle, eines Radarsignals in Luft. Und diese Geschwindigkeit ist ziemlich genau die Lichtgeschwindigkeit. Dieses Verfahren bei Autos hat man damals bei Schiffen verwand. Von daher sind die Prinzipien, die damals grundlegend angewendet worden sind, heute superrelevant.
In welchen Bereichen wendet man dieses Verfahren heute an?
Pfeiffer: Das sind alles Radarverfahren, aber auch in der Mobilfunktechnologie ist es sehr stark am Kommen. Im neuesten Mobilfunktelefon, dem Smartphone Google Pixel 3 beispielsweise, haben die Hersteller auch schon einen Radarchip mit eingebaut. Es ist das erste Smartphone mit implementiertem Radarverfahren. Da soll die Entfernung jedes einzelnen Fingers zueinander und zum Gerät bestimmt werden. In dem Fall sind die Finger die Eisberge und die tanzen dann durch die Luft. Damit kann man gewisse Bewegungen registrieren. Das Aufmachen der Hand bedeutet, ich zoome irgendwo rein. Zoomte man früher mit zwei Fingern auf dem iPhone, macht man das heute in der Luft. Das Scrollen wird durch eine Bewegung der Finger in der Luft durchgeführt. Von daher sind auch da Radarverfahren und die Laufzeitmessung im Digitaler Zeitalter angekommen. Man kann heute die Entfernung plus die Geschwindigkeit der Objekte bestimmen. Bei den Fingern ist das wichtig, je nachdem wie schnell man das macht und auch beim Auto erhalte ich unmittelbar die Information, ob ein anderes Fahrzeug auf mich zu kommt oder von mir wegfährt. Es ist die konsequente Weiterentwicklung des ursprünglichen Verfahrens.
Uwe Blass (Gespräch vom 10.01.2020)
Prof. Dr. Ullrich Pfeiffer leitet den Lehrstuhl für Hochfrequenzsysteme in der Kommunikationstechnik an der Bergischen Universität.