Das Pascalsche Dreieck
Prof. Dr. Margareta Heilmann / Mathematik
Foto: UniService Transfer

Die Summe der oberen rechten und linken Nachbarn

Die Mathematikerin Margareta Heilmann über die Anfertigung und den Einsatz des Pascalschen Dreiecks für die Junior Uni

Wenn man noch nichts vom Sierpinski-Dreieck gehört hat oder die rekursiven Bildungsgesetze nicht erklären kann, ist das kein Grund zur Beunruhigung, handelt es sich doch um mathematische Phänomene, die einen interessierten Menschen oft erst im Studium beschäftigen. Die Mathematikern Prof. Dr. Margareta Heilmann kennt diese und noch andere Formeln aus dem Effeff. Gerade frisch emeritiert, lehrte sie sage und schreibe 25 Jahre in der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften in der Arbeitsgruppe Optimierung und Approximation. In ihrem Forschungsgebiet der Approximationstheorie versuche man, erklärt sie, komplizierte, mathematische Objekte, also Gleichungen, Funktionen oder Daten, durch einfachere Objekte anzunähern, ohne dass wesentliche Informationen verloren gehen. Als aktuelles Beispiel nennt sie die Anzahl der Coronainfektionen pro Tag und deren Entwicklung, die man mit dem Begriff des ´Exponentiellen Wachstums` umschreibt. „Man hat dann diese Daten, wie sich so die Zahlen entwickeln und versucht, eine geeignete Exponentialfunktion so dadurch zu legen, dass die Abweichungen zu den tatsächlichen Zahlen möglichst gering sind.“ Auch die uns bekannte 7-Tage-Inzidenz mit den Abweichungen in einem bestimmten Zeitraum nach oben oder unten, lasse sich mit den Funktionen der Annäherung errechnen.

Die Idee zur Erstellung des Pascalschen Dreiecks

Vor vielen Jahren erwarb Heilmann ein ungewöhnliches Buch des Autors Hans Magnus Enzensberger mit dem Titel ´Der Zahlenteufel`, von dem nicht nur sie selber, sondern auch ihr damals gerade erst lesen lernender Sohn begeistert war. „Ich hatte nicht darüber nachgedacht, dass es meinen Sohn auch interessieren könnte. Er hat das Buch gesehen, konnte gerade lesen und hat mich dazu genötigt, ihm dieses Buch vorzulesen. Und ich dachte: ´ Gut, wenn es ihm zu langweilig wird, dann hören wir eben damit auf`“, lacht sie. „Es hat ihn aber wirklich fasziniert und insbesondere das, was in der siebten Nacht passiert, als der Zahlenteufel dann Robert, einem Jungen, der Mathematik in der Schule hasst, dieses beleuchtete Pascalsche Dreieck präsentiert.“ Der Zahlenteufel schnippt in diesem Buch dann mit den Fingern und immer wieder entstehen neue Muster auf dem Modell. Der kleine Held im Buch muss dann die Zahlen wiederfinden, die in den vergangenen Nächten schon einmal da waren. Und auch Heilmanns Sohn erstellte mit Duplo- und Legobausteinen ein eigenes Pascalsches Dreieck, auf dass er die Zahlen aufmalte.
2008 kam dann das Wissenschaftsjahr der Mathematik und Heilmann überlegte, was man zu diesem Anlass machen könnte. „Ich dachte dann irgendwann, es wäre doch toll, so ein beleuchtetes Pascalsches Dreieck zu bauen“, erzählt sie, „aber ich habe von elektronischen Schaltungen überhaupt keine Ahnung und ich hätte das auch nie bauen und realisieren können.“ An diesem Punkt kommt dann der Kollege Hans-Josef Kulmer aus der Angewandten Mathematik ins Spiel, der ihre Idee des beleuchteten Dreiecks umsetzt. „Er hat diese ganzen Pläne für die elektronische Schaltung entworfen und diese ganze Anlage gebaut. Er hat sich auch überlegt, wie die LEDs beschaffen sein müssen und welches Material man braucht.“ Gemeinsam mit einem Studenten löteten sie Platinen, die Kulmer dann integrierte, so dass das Wunderdreieck pünktlich zur Eröffnung der Junior Uni im gleichen Jahr übergeben werden konnte

Das Wuppertaler Pascalsche Dreieck
Erstellt von Prof. Dr. Margareta Heilmann, Dipl.-Ing. Hans-Josef Kulmer, Jonas Kronenberg

Die Geschichte des Zahlendreiecks

Der Mathematiker Blaise Pascal schrieb 1655 das Buch „Traité du triangle arithmétique“ (Abhandlung über das arithmetische Dreieck), in dem er verschiedene Ergebnisse bezüglich des Dreiecks sammelte und diese dazu verwendete, Probleme der Wahrscheinlichkeitstheorie zu lösen. Nach ihm ist das Pascalsche Dreieck benannt.
„Das Pascalsche Dreieck bietet zunächst einmal die Möglichkeit“, sagt Heilmann, „bestimmte Zahlen - das sind die sogenannten Binomialkoeffizienten - in einer Dreiecksform darzustellen.“ Die Zahlen, die darin auftauchen, lassen sich dadurch leicht berechnen. Im Prinzip kann man sagen, ganz außen stehen immer lauter Einsen und alles, was in der Mitte ist, das berechnet sich immer aus der Summe oberer rechter und linker Nachbarn. D.h., wenn da rechts eine 1 und links eine 2 drübersteht, dann addiere ich das zusammen und komme auf die 3 usw.“ Die Binomischen Formeln beispielsweise, sind vielen Menschen noch aus dem Schulunterricht bekannt. Man erinnere sich: ( a + b )2 = a2 + 2ab + b2. Dazu Heilmann: „Die Formel hat man normalerweise auswendig im Kopf. Aber wenn ich jetzt wissen möchte, was ist denn jetzt (a + b )27 , da wird es schon schwierig und da hilft mir dieses Pascalsche Dreieck weiter, weil ich die über das Dreieck erhalte, indem ich die passende Zeile nehme.
Die Idee zu diesem Dreieck ist aber schon viel älter. In Indien und China gibt es ähnliche Modelle aus dem 10. Jahrhundert, ein Buch über Handelsberechnungen von 1527 ist der erste europäische Beleg.

Wie man einen Geheimcode entschlüsselt

Mit dem Pascalschen Dreieck könne man nach Heilmanns Aussage tausend Sachen machen, u.a. auch die Fibonacci-Zahlen ermitteln. Der Krimileser und Kinogänger kennt diese noch aus dem Dan Brown-Thriller „Der Da Vinci Code“, in dem sie als geheime Botschaft fungieren. Heilmann weiß wie das geht. „In diesem Buch von Dan Brown gibt es eine Stelle, da sind acht Zahlen aufgeführt, aber in irgendeiner Reihenfolge. Ich habe mir das nochmal rausgesucht, das sind die 13, 3, 2, 21, 1, 1, 8, 5. Wenn ein Unbedarfter darauf schaut, wird er damit nichts anfangen können. Ich schätze aber mal, dass jeder Mathematiker relativ schnell sieht, dass darin diese Fibonacci-Zahlen versteckt sind.“ Zwar sei dies nicht die richtige Reihenfolge der Fibonacci-Zahlen, was aber im Kontext des Romans wiederum eine Bedeutung habe. „Das wird in dem Buch als Hinweis darauf genommen, dass man die Buchstaben des Textes, der darunter steht, auch in eine andere Reihenfolge bringen muss, damit ein sinnvoller Hinweis herauskommt. Wenn man die oben genannten Zahlen in eine sinnvolle Reihenfolge bringt, dann bekommt man die ersten acht Zahlen der Fibonaccifolge und wenn man dann diese Buchstaben wiederum in die richtige Reihenfolge bringt, dann ergibt sich ´Leonardo da Vinci the Mona Lisa` und das ist dann der Hinweis im Buch, der Spur weiter zu folgen.“
Darüber hinaus finde man die Fibonacci-Zahlen an vielen Stellen in der Kunst und der Natur wieder.

Bunte Muster durch Primzahlen

Was macht das Wuppertaler Dreieck so besonders? „Es sieht toll aus“, sagt Heilmann begeistert. „Die Beleuchtung ist faszinierend. Ganz bestimmte Zahlen sind rot und andere sind weiß. Man fragt sich, was haben sie gemeinsam?“ Besonders schöne Muster entstünden, wenn man durch Primzahlen teilbare Zahlen beleuchte und die Kinder deren Gemeinsamkeiten herausfänden. Beleuchtet man die ungeraden Zahlen, entstünden Dreiecke, deren Seiten man halbiere und so wieder kleinere Dreiecke erzeuge, die dann das eingangs genannte Sierpinski Dreieck veranschaulichen. Die Schulmathematik sei vielen Kindern ein Graus. Da sei das Buch ´Der Zahlenteufel` ein wunderbarerer Einstieg, weil der Autor so plausibel und spielerisch erkläre. Enzensberger zeige z.B. auch, dass manchmal unterschiedliche Fragen zu denselben Lösungen führen. Das Buch biete eine Fülle von Anregungen, die Kinder für Mathematik begeistern könne. „Und das ist doch das Wesen der Mathematik“ konstatiert Heilmann, „diese Abstraktionsebene“.

Aufwendige Reparatur

Nach 13 Jahren Anwendung in der Junior Uni ist das Wuppertaler Pascalsche Dreieck wieder an die Bergische Universität zurückgekehrt und wartet auf seine aufwändige Reparatur. Heilmann kümmert sich persönlich darum, macht Termine und hofft auf den baldigen Wiedereinsatz des Wunderwerks am Loh. „Man muss Spaß daran haben, dass mit den Kindern zu ergründen“, sagt sie zum Schluss, denn „alles was Spaß macht, lässt einen gar nicht darüber nachdenken, dass man arbeitet oder lernt.“

Uwe Blass

Prof. Dr. Margarete Heilmann lehrte von 1996 bis 2021 in der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften in der Arbeitsgruppe Optimierung und Approximation und ist die Ideengeberin für das Wuppertaler Modell des Pascalschen Dreiecks.

 

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