Prof. Dr. Gertrud Lohaus / Botanik
Foto: UniService Transfer

Pflanzen aus aller Welt im Bergischen Land

Die Botanikerin Prof. Dr. Gertrud Lohaus über eingeführte Pflanzen, deren Wachstum durch den Klimawandel noch begünstigt wird

Sie tragen so phantastische Namen wie Grünähriger Fuchsschwanz, Löwenmäulchen, Rote Spornblume, Felsen-Storchschnabel oder Gelbrote Taglilie und sind in vielen Gärten beheimatet. Kaum einer weiß, dass diese Blühpflanzen erst im 16. Jahrhundert u.a. aus dem Mittelmeergebiet oder aus Asien zu uns gekommen sind. Viele weitere Pflanzen haben bis heute den Weg nach Europa gefunden, die eigentlich woanders beheimatet sind.

„Nach der Landung von Kolumbus in Amerika fand ein ganz großer Austausch zwischen dem neuen Kontinent und Europa/Eurasien statt“, erklärt die Botanikerin Professorin Dr. Gertrud Lohaus, die das Fach Molekulare Pflanzenforschung/Pflanzenbiochemie in der Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften der Bergischen Universität leitet. „Pflanzen, die nach 1492 durch menschlichen Einfluss in andere Gebiete gelangten, nennt man Neophyten.“ In Deutschland sind das etwa 1.000 höhere Gefäßpflanzen, von denen ca. 400 etabliert und etwa 40 als invasiv, also eindringend, gelten. Sie fühlen sich in unseren Breitengraden wohl, verändern die Landschaft und auch die Artenzusammensetzung. Die Wissenschaftlerin weiß, wo man sie findet. „Zum einen an den Flussrändern. Den Japanischen Staudenknöterich zum Beispiel, findet man u.a. an der Wupper, und der Riesenbärenklau, auch Herkulesstaude genannt, der kommt ebenfalls an Flussrändern vor. An der Gelpe stehen einige“, sagt sie. „An Waldrändern wiederum findet man das Drüsige Springkraut und auf Ruderalstellen, also brachliegenden Flächen, sowie in Pflasterritzen, blüht das Schmalblättrige Greiskraut.“ Lohaus nennt weiter verschiedene Nachtkerzenarten, die aus Amerika kommen sowie die Kanadische Goldrute, die sehr gerne von Imkern gepflanzt wurde. „Dann gibt es noch die Archäophyten“, ergänzt sie, „ das sind vor 1492 ´eingeführte` Pflanzenarten, meist Nutzpflanzen, wie fast alle Getreide, die mit der neolithischen Revolution und den Völkerwanderungen verbreitet wurden.“

Viele dieser Pflanzenarten sind von unserem Esstisch, unseren Äckern und Gärten oder aus der „Natur“ nicht mehr wegzudenken, andere invasive Arten können allerdings auch einen ökologischen, wirtschaftlichen oder gar gesundheitlichen Schaden verursachen. Ökologische Schäden kann z.B. der Japanische Staudenknöterich verursachen, wenn er andere Pflanzen unter sich „zerdrückt“ und dann weniger Arten vorhanden sind als vorher, erläutert die Forscherin. Wirtschaftlich schade diese Pflanze zusätzlich, wenn sie in bestimmte Felder einwachse und angebaute Pflanzen verdränge.

Bärenklau (Heracleum) im Gelpetal
Foto: UniService Transfer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Riesenbärenklau stammt aus dem Kaukasus


Gesundheitliche Beeinträchtigungen wiederum verursache beispielsweise die Herkulesstaude, denn wenn man diese berühre, komme es zu Ausschlag oder Verbrennungen. Als unliebsame Pflanze, die ursprünglich aus dem Kaukasus stammt, ist der Riesenbärenklau, der 2008 sogar zur Giftpflanze des Jahres gewählt wurde, auch in Wuppertals Auenlandschaften zu finden. „Der Riesenbärenklau kann bis zu drei Meter groß werden und enthält photosensibilisierende Substanzen der Stoffgruppe Furanocumarine. In Zusammenhang mit Sonnenlicht, also UV-Strahlung, wirken diese phototoxisch und verbrennen die Haut“, weiß Lohaus. In der Dunkelheut hingegen passiere bei einer Berührung nichts. Daher sollte die Pflanze auch nur fachgerecht gekappt werden. Als nahe Verwandte gelten der Kleine Wiesenbärenklau, der ebenso zur Familie der Doldenblütler gehört sowie der essbare Sellerie und die Petersilie.

Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica) am Freudenberg
Foto: UniService Transfer

Zubereiten statt Vernichten

Einige dieser eingeführten Pflanzen sind uns schon fast vertraut. Wir kennen zwar ihre Namen nicht, halten sie aber für einheimisch, wie den Japanischen Staudenknöterich oder das Indische Springkaut. Vielerorts werden diese Pflanzen bekämpft, damit die Artenzusammensetzung bestimmter Biotope erhalten bleibt. Doch mit dieser radikalen Methode ist die Wuppertaler Botanikerin nicht einverstanden und sagt: „Nicht in jedem Ökosystem muss man sie bekämpfen. Aber der Japanische Staudenknöterich ist eben sehr schnellwüchsig und wuchernd. Er wächst 10-30 cm pro Tag. Zusätzlich bildet er Rhizome, d.h. unterirdische Sprosse. Selbst kleine Stücke davon können wieder auswachsen, d.h. alles, was im Boden verbleibt, auch Teile von ausgerissenen Pflanzen, wachsen wieder aus. Er beschattet alles unter sich und es wächst nichts Anderes mehr. Eine sichere Entsorgung geht da nur über eine Verbrennung.“ Doch auch eine andere Nutzung wäre denkbar, denn das 1825 als Viehfutter importierte Gewächs kann man als Jungpflanze sogar essen. In seiner Heimat wird der Staudenknöterich als Gemüsepflanze, ähnlich unserem heimischen Rhabarber, angebaut und verarbeitet. Sogar im Geschmack ähnelt er dem Rhabarber und auch die Zubereitungsarten sind dieselben. Die jungen Triebe des Japanischen Staudenknöterichs schmecken sowohl in herzhaften als auch in süßen Gerichten, wie Kompott oder als Obstkuchen.

Pflanzen kennen keine Grenzen

Oft wachsen und blühen neue Pflanzen in Gebieten, wo sie niemanden stören. Ob an der Autobahn, auf Baustellen, an Bahnhöfen oder in Häuserlücken siedeln sich die schönsten Farbenspiele an. Doch sie wachsen eben auch dort, wo man sie nicht so gerne sieht. „Das Problem sind Gebiete, die man gerne erhalten möchte“, erklärt Lohaus, „die sogenannten Sandmagerrasen oder Kalkmagerasen. Das sind nährstoffarme Gebiete, in denen bestimmte Arten, wie z.B. besondere Orchideen, wachsen. Diese Gebiete sind mit die aufregendsten für Botaniker*innen, also sehr wertvolle Gebiete, und da mag man Pflanzen, wie den Japanischen Staudenknöterich oder das Schmalblättrige Greiskraut nicht so gerne haben.“

Zukunftsbäume

Zu den mächtigsten Vertretern der Pflanzen zählen sicherlich die Bäume, von denen viele ihren Ursprung auch außerhalb Europas haben. Ein besonderer Gast, der aus Nordamerika kommt, ist die Robinie, die in diesem Jahr in Deutschland auch zum Baum des Jahres gekürt wurde. „Die Robinie wurde vor ungefähr 400 Jahren in Deutschland und Mitteleuropa eingeführt“, weiß Lohaus. „Sie ist als Zierbaum für Parks und Gärten gekommen und steht auch heute noch häufig an Bahnstrecken, weil zu der Zeit, als noch Dampfloks fuhren, hat es häufiger mal neben den Schienen gebrannt. Die Robinie hat eine ganz dicke Borke. Es ist ein Baum mit einem feineren Laub und wenn da einmal schnell Feuer drüber geht, schlägt sie wieder aus. Anders verhält es sich bei trockenen Fichten, die brennen dann lichterloh.“ Das bemerkenswerte sei die Tatsache, so die Wissenschaftlerin, dass die Robinie zur gleichen Familie wie Erbsen und Bohnen gehöre, den Schmetterlingsblüten- oder Hülsenfruchtgewächsen. Diese seien in der Lage Stickstoff zu fixieren, d.h. sie sind nicht unbedingt auf Dünger angewiesen, weil sie in Symbiose mit bestimmten Bakterien leben und Luftstickstoff nutzen können. „Insgesamt ist die Robinie schon ein Zukunftsbaum in dem Sinne, dass sie mit vielen Unwägbarkeiten umgehen kann“, erklärt Lohaus.

Ein Ersatz für die durch Trockenheit bedrohte Fichte sei sie allerdings nicht, da ihr Holz eher als Ersatz für Tropenholz genutzt wird, die Fichte aber hauptsächlich Bauholz liefere. Da käme dann eher die Douglasie, auch eine Nadelbaumart, in Frage, die in NRW als invasive Art eingestuft wird. „Andere Wissenschaftler sagen, wir müssen auch mit anderen Baumarten experimentieren, sogenannten Zukunftsbäumen, die mit der Trockenheit besser klar kommen“, fährt sie fort und nennt einige Bespiele, die sie auch in ihrem seit acht Jahren bestehenden Uniarboretum gepflanzt hat. Zu nennen sind der aus Zentral- und Westchina kommende Blauglockenbaum, der chinesische Guttaperchabaum, auch Gummi-Ulme genannt sowie die kleine Amur-Linde aus Russland und China.
Geduld ist dabei das zentrale Stichwort und so gibt es auch Projekte, die über Jahre untersuchen, wie sich unsere Wälder verändern. Lohaus kennt ein Beispiel bei Lübeck, wo ein Förster den Wald sich selber überlässt und beobachtet, welche Bäume sich von alleine wieder ansiedeln und den neuen Umweltbedingungen trotzen. Wieder andere beschäftigen sich mit den verschiedenen Varietäten bestimmter Bäume, die trockenheitsangepasster sind, denn, so sagt die Botanikerin: „Man würde jeden Weg gehen, den man beschreiten kann, weil das Sterben des Waldes sehr massiv ist.“

Aufwändige Kontrollmaßnahmen

An der Nordsee macht die Kartoffel-Rose den Dünenbiotopen Probleme, in Berlin kämpfen Kleingärtner gegen den Götterbaum und die Beifuß-Ambrosie kann bei Menschen Allergien auslösen. „Das ist in der Tat ein schwieriges Problem“, weiß Lohaus und erklärt die Schwierigkeiten am Beispiel der Kartoffel-Rose. „Die Kartoffel-Rose ist in den Dünen auf vielen Nordseeinseln vertreten. Dort, wo sie rosa blüht, haben auch die Menschen eine rosa Brille auf und finden das toll. Die gehört da aber nicht hin und macht sehr viele andere Pflanzen unter sich nieder. Die bekommt man kaum weg, denn sie hat ein ganz starkes Ausschlagpotential. Die ist im Boden stark verankert. Man hat an einem Ort mit einem Bagger die ganzen Rosen samt Erde abgetragen, den Boden ausgesiebt und zurückgebracht. Und wenn dann noch einzelne Rosen kommen, dann sticht man sie aus. Eine Wahnsinnsarbeit. Insofern kann man Gebiete, wo die Rose erst mal ist, kaum davon befreien.“ Noch problematischer verhält es sich mit Pflanzen, die wirklich gesundheitliche Probleme mit sich bringen. Die als Vogelfutter aus Nordamerika zu uns gekommene Beifuss-Ambrosie kann durch ihre Pollen Allergien auslösen. „Manche Menschen reagieren auf diese Allergene so stark, dass ein paar Pollen ausreichen, um eine allergische Reaktion auszulösen. Es gibt sogar Meldestellen in vielen Orten“, sagt Lohaus, über die dann Fachleute die entsprechenden Exemplare ausstechen. „Aber“, fügt sie hinzu, „man muss sie auch erst einmal erkennen, denn die sieht ganz harmlos und grün aus.“ Als Meldestellen in NRW kann man sich an das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz wenden. Weitere Informationen bieten einmal eine Warnliste invasiver Gefäßpflanzenarten, die man beim Bundesamt für Naturschutz einsehen kann sowie das Neobiota-Portal, welches eine Artenliste von Pflanzen bietet. Und auch der NABU Rhein-Berg-Kreis versucht gegen bestimmte invasive Arten etwas zu tun und freut sich immer über ehrenamtliche Unterstützer.

Online-Handel: Fluch und Segen?

Was früher über einzelne Importe nach Europa gelangte, ist über den Onlinehandel heute noch schwerer zu kontrollieren. Die Menschen wollen alles zu jeder Zeit. Manche Pflanzenarten werden landwirtschaftlich, als Heilpflanze oder Zierpflanze genutzt und wenn sie nicht im Fachhandel erhältlich sind, übers Internet bestellt. Eine Gefahr für unsere Ökosysteme berge es in dem Sinne, sagt Lohaus, das immer noch mehr neue Pflanzen kommen werden und man erst hinterher sehe, ob sie zu einer invasiven Art werden oder nicht. „Die meisten Pflanzen sind ja erst einmal aus guten Gründen gekommen, als Nahrungspflanze, Sichtschutz, Bienenweide, Futter, Zierpflanze oder Parkbaum. Es ist alles ganz harmlos. Das Ausmaß dessen, was kommt, ist relativ groß, der Austausch auf der Welt wird immer mehr, und da kann es natürlich zu weiteren Arten kommen, die sich hier ausbreiten. Fast unsere ganze Nahrung besteht aus Pflanzen, die hier mal eingeführt wurden“, erklärt sie und fügt schmunzelnd dazu, „ohne diese Pflanzen würden wir immer noch an Eichenrinden nagen.“

Uwe Blass (Gespräch vom 22.07.2020)


Prof. Dr. Gertrud Lohaus promovierte 1995 an der Georg-August-Universität in Göttingen und arbeitete dort bis 2004 als Wissenschaftliche Angestellte bzw. wissenschaftliche Assistentin in der Abteilung für Biochemie der Pflanze. Von 2005 bis 2009 war sie zunächst Lehrbeauftragte, dann Vertretungsprofessorin für Baumphysiologie und Forstbotanik ebenda. 2009 übernahm sie die Professur für Molekulare Pflanzenforschung/Pflanzenbiochemie an der Bergischen Universität Wuppertal.

Weitere Infos über #UniWuppertal: